Wunschkonzert: Roman (German Edition)
halten müssen!«
»Es sieht fast so aus, als hättest du heute etwas Wichtiges gelernt«, sagt er und klingt dabei wie der Dalai-Lama. »Es halten sich eben nicht immer alle an die Regeln, die du wohlgemerkt für dich persönlich aufgestellt hast. Sie machen ihre eigenen, genauso wie du, und das ist weder gut noch schlecht.«
»Vielen Dank für dieses überaus aufschlussreiche Gespräch!«, fahre ich ihn wutschnaubend an. »Das zeigt nun doch noch, was du für eine Art Chef bist. Dann kann ich ja am besten gleich kündigen!«
»Setzt du dich mal wieder hin und beruhigst dich?«, bittet David mich. Obwohl mir gerade eher danach wäre, eine Scheibe oder irgendetwas anderes einzuschlagen – sein Gesicht vielleicht? –, nehme ich unter Aufbringung sämtlicher Willenskraft wieder Platz und versuche sogar, so etwas wie ein Lächeln zustande zu bringen. Es fühlt sich allerdings ziemlich verkrampft an. »Ich möchte nicht, dass du kündigst«, teilt mein Chef mir mit. »Ich habe euch bereits gesagt, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für Personalentscheidungen ist, und das gilt für euch genauso wie für mich. Ich habe euch alle während des Seminars sehr genau beobachtet und mir zu jedem von euch Notizen gemacht. Wenn wir wieder in Hamburg sind, werde ich mit jedem Einzelgespräche über sein persönliches Entwicklungspotenzial führen, aber jetzt nicht. Hier in der Heide geht es erst einmal darum, dass wir uns alle besser kennenlernen.«
»Wie schön, dass ich Martin jetzt ziemlich gut kenne«, entfährt es mir sarkastisch.
»Martin kämpft mit sehr harten Bandagen, das ist mir klar. Aber das macht durchaus auch seine Qualitäten aus. Trotzdem möchte ich dir einen Vorschlag machen.«
»Nämlich?«
»Sprich doch einfach mit Tim und seiner Band. Sie sollen entscheiden, mit wem von euch sie lieber zusammenarbeiten wollen, da lasse ich euch völlig freie Hand.«
»Ehrlich?«, frage ich erstaunt nach. Das ist natürlich ein kleiner Hoffnungsschimmer. Aber zur gleichen Zeit taucht Tim vor meinem inneren Auge auf. Auch wenn ich nicht zu übertriebenem Pessimismus neige – die Blicke, die er mir vorhin zugeworfen hat, sahen nicht gerade danach aus, als könnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als in Zukunft von mir betreut zu werden …
»Ja, ehrlich«, bestätigt David mir noch einmal. »Schließlich ist es wichtig, dass zwischen Künstler und A&R-Manager die Chemie stimmt, das ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit wesentlich. Ich habe die Jungs übrigens eingeladen, noch bis zum Ende unseres Seminars hierzubleiben und an den restlichen Übungen teilzunehmen, du wirst also reichlich Gelegenheit haben, sie von deinen Qualitäten zu überzeugen.«
»Äh, wieso das denn? Also, warum hast du sie eingeladen, und warum bleiben die hier?«
»Weil wir alle schließlich jeden Tag mehr oder weniger eng mit Künstlern zusammenarbeiten, da kann es nicht schaden, sich auch mal mit ihnen an einen Tisch zu setzen oder«, er zieht verschmitzt eine Augenbraue hoch, »in den Wald zu stellen. Die Jungs fanden meine Idee auch gut und spannend.«
»Okay«, sage ich. Und überlege zur gleichen Zeit bereits fieberhaft, wie ich Tim überzeuge, dass er mit mir die bessere Wahl trifft.
David steht auf. »Dann hätten wir das ja geklärt und können wieder nach draußen gehen.« Er zwinkert mir zu. »Immerhin ist heute Partytime!«
O ja. Und ich bin so was von in Partystimmung, dass ich mir gleich ein buntes Papphütchen aufsetze und ordentlich einen losmache …
16. Kapitel
I ch bekomme
nicht
reichlich Gelegenheit, mit Tim zu reden. Genau genommen bekomme ich
gar keine
Gelegenheit dazu, denn er ignoriert mich komplett. Als ich ihn nach dem Auftritt seiner Band an der Bühne abfange und ihn frage, ob wir kurz miteinander reden können, geht er einfach wortlos an mir vorbei (was, wie ich bemerke, von Martin aus einiger Entfernung amüsiert beobachtet wird). Den restlichen Abend unterhält er sich mit all meinen Kollegen, nur mich würdigt er keines Blickes.
Um kurz vor Mitternacht starte ich einen letzten verzweifelten Versuch, doch noch mit ihm zu reden, und gehe direkt auf ihn zu. Darauf, dass er gerade mit Robert und Oliver zusammensteht, kann ich keine Rücksicht nehmen, ich muss die Sache mit ihm einfach klären.
»Würdest du bitte mal einen kurzen Moment mitkommen?«, frage ich ihn. »Ich muss wirklich dringend mit dir sprechen!« Er dreht sich zu mir um und sieht mich noch genauso böse wie vorhin von der
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