Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Zeit für Entschuldigungen, jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
»Du meintest doch, euer Chef hätte sich Notizen über euch gemacht, oder?«
»Das hat er jedenfalls gesagt, und er schreibt manchmal auch was in dieses komische Buch, aus dem die Übungen stammen.«
»Dann musst du dir das dringend besorgen und einen Blick reinwerfen. Vielleicht hat er ja aufgeschrieben, was ihm Positives an dir und Negatives an diesem Stichler aufgefallen ist, und damit kannst du dir einen Vorteil verschaffen.«
»Das habe ich auch schon längst überlegt, aber David lässt das Buch nie irgendwo rumliegen.«
»Was ist denn mit seinem Zimmer?«
»Ich kann ja wohl schlecht in sein Zimmer einbrechen!«, sage ich entsetzt.
»Wieso nicht?«, will Mama herausfordernd wissen. »Dieser Stichler hat das bei dir ja auch gemacht, und dein Chef scheint das völlig in Ordnung zu finden. Manchmal muss man es den Männern mit gleicher Münze heimzahlen.«
»Hmm …« Ich überlege einen Moment. Irgendwie hat Mama recht. Und David hat selbst gesagt, dass man hin und wieder handeln muss. Und dass es Leute gibt, die sich nur an die Regeln halten, die sie für sich selbst aufstellen. Aber möchte ich wirklich einer von denen sein?
Andererseits: Wenn es mir gelänge, mal in das Buch zu gucken, könnte ich vielleicht wirklich wieder einiges geradebiegen. Und ich wüsste endlich, ob mein Job schon gefährdet ist.
»Okay«, sage ich mit leicht wackliger Stimme, »ich werde es versuchen.«
»Halt mich unbedingt auf dem Laufenden«, ordnet Mama wie ein erprobter Feldwebel an, aber immerhin schickt sie noch ein »ja, mein Schatz?« hinterher.
»Und?«, will Hilde am nächsten Morgen wissen, als ich in den Speisesaal komme und mich neben sie setze. »Wie ist es denn gestern gelaufen? Ich bin doch schon so neugierig, also spann mich nicht länger auf die Folter.«
»Nicht so toll«, erkläre ich ihr. »David meinte, ich solle das mit Tim Lievers klären, und der wiederum hat mir klipp und klar gesagt, dass er mit Martin arbeiten will und nicht mit mir.« Mein Blick wandert hinüber zur anderen Seite des Raumes, wo die soeben Erwähnten in trauter Runde sitzen, miteinander frühstücken und sich lachend unterhalten.
»Na ja, Kindchen«, sagt meine Kollegin und zwinkert mir zu. »Das ist nicht das Ende der Welt. Denk immer schön an Epikur.«
»Wenn ich ehrlich bin, tröstet mich das gerade nicht so richtig«, sage ich etwas unwirsch. »Die Reeperbahnjungs sollten mein großer Deal werden!«
»Nun warte doch erst einmal ab«, rät Hilde. »Wir haben zwei gemeinsame Tage vor uns, vielleicht bietet sich noch einmal die Gelegenheit zu einer Aussprache.«
»Glaube ich kaum«, gebe ich zurück. »Tim war gestern Abend mehr als deutlich.«
»Ach, Männer!« Das ist genau das, was Mama auch sagen würde, aber Hilde lacht dabei und nimmt sich aus dem Brotkorb vor uns ein glänzendes Buttercroissant. »Du hast ihn wahrscheinlich nur in seiner Eitelkeit getroffen, und jetzt schmollt er. Glaub mir, in ein paar Tagen ist sein Ärger verraucht, der kriegt sich schon wieder ein.«
»Meinst du?« Sie nickt.
»Ich kann doch sehen, dass er dich mag.« Noch einmal drehe ich den Kopf Richtung David, Martin und Tim – und erwische Tim tatsächlich dabei, wie er gerade zu mir rüberblickt. Sofort verdüstert sich seine Miene, und er wendet sich wieder seinen beiden Gesprächspartnern zu. Zuneigung sieht irgendwie anders aus, finde ich.
»Wir werden sehen«, seufze ich. »Und im Wesentlichen geht es ja auch wirklich darum, die Band erfolgreich zu machen. Wenn Martin das schafft, soll es mir recht sein.«
»Oh, wie edel und selbstlos von dir, Stella!«, gibt meine Kollegin schmunzelnd zurück und stupst mich mit einem Ellbogen in die Seite.
»So, sind alle mit dem Frühstück fertig?«, erklingt in diesem Moment die laute Stimme unseres Chefs. Er hat sich von seinem Platz erhoben und steht, das schwarze Buch unter den Arm geklemmt, in der Mitte des Raumes. Ein zustimmendes Murmeln erklingt. »Dann können wir ja mit der heutigen Übung beginnen. Und die lautet: Wunschkonzert!«
»Wunschkonzert?«, fragt Natascha nach. »Hat das wieder was mit Musik zu tun?« David schüttelt den Kopf.
»Nein, hat es nicht. Es geht um das Leben.«
Eine halbe Stunde später haben wir uns alle auf der Lichtung vor der Herberge versammelt und in einen großen Kreis gehockt. »Beim Wunschkonzert geht es darum, positive Energien
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