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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Reichweite, in seinen Lieblingssessel. So ließ sich das Leben wirklich aushalten … Er griff zuerst nach den News of the World und schwelgte in den nächsten zehn Minuten in den Skandal- und Klatschgeschichten, die eine in der Wahl ihrer Mittel vermutlich nicht allzu skrupulöse Journaille Woche für Woche auszugraben wußte. Einige der Artikel waren wirklich pikant, und in angenehmer Erregung und der Hoffnung, weitere intime Details mitgeteilt zu bekommen, begann Morse, sich in eine längere Beschreibung des geheimen Sexlebens eines Hollywoodstarlets zu vertiefen. Doch nach den ersten beiden Absätzen ließ er das Blatt enttäuscht sinken. Der Stil war schlecht, der Autor, so sehr er durch deftige Obszönitäten vorgab, das Thema tabulos zu behandeln, letztlich doch zaghaft – prüde und ohne Gespür für das, was erotischen Kitzel ausmachte. Morse verabscheute diese Art Pornographie, die irgendwo auf halbem Weg stehenblieb. Entweder servierte man die Sachen richtig scharf, oder man ließ lieber gleich die Finger davon. Das war das letzte Mal, daß er dieses Blatt gekauft hatte. Diesen Entschluß hatte er allerdings in der Vergangenheit schon des öfteren gefaßt und konnte eigentlich schon jetzt wissen, daß er am nächsten Sonntag, durch verheißungsvolle Schlagzeilen geködert, wieder in Versuchung geraten würde. Für heute allerdings hatte er genug. So sehr, daß er für das Foto einer jungen Schönen, die dem Betrachter provozierend ihre nackte Brust entgegenstreckte, nur noch einen gelangweilten Blick übrig hatte.
    Nachdem er, wie es seine Gewohnheit war, den Wirtschaftsteil herausgenommen und in den Papierkorb befördert hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit der seriösen Sunday Times zu. Er schlug zuerst den Sportteil auf und mußte zu seiner großen Bestürzung feststellen, daß Oxford United sich wieder eine vernichtende Niederlage eingehandelt hatte, las einige der politischen Berichte sowie die meisten Buchbesprechungen, bemühte sich erfolglos, das Bridgeproblem zu lösen und landete schließlich bei den Leserbriefen. Renten, Umweltverschmutzung – was den Leuten unter die Haut ging, und Hausmittel – etwas, womit sie sich auskannten. Einige der Mitteilungen waren ein bißchen verschroben, aber die große Mehrzahl zeugte von Vernunft und Lebensklugheit. Er überflog die Briefe mit einer Mischung aus Nachsicht und mildem Interesse, bis sein Blick an einer der Überschriften hängenblieb. Mit seinem Gleichmut war es auf einmal vorbei. Er las den Brief sorgfältig von Anfang bis Ende und runzelte dann nachdenklich die Stirn. Der 24. August? Das war vermutlich einer der Sonntage gewesen, an denen er seinen niedrigen Instinkten nachgegeben und die News of the World gekauft hatte. Er las den Brief noch ein zweites Mal.
     
    Eltern danken für die Heimkehr ihrer Tochter
     
    Meine Frau und ich möchten Ihrer Zeitung unseren tie f empfundenen Dank aussprechen für Ihren Bericht ›Sie gehen ohne Abschied – Mädchen, die von zu Hause we g laufen‹ (Farbbeilage v. 24. Aug.). Auf Grund dieses Art i kels kehrte unsere Tochter Christine, nachdem sie über ein Jahr fort gewesen war, in der vergangenen Woche zu uns nach Hause zurück. Nochmals herzlichen Dank.
     
    Mr. und Mrs. Richardson (Kidderminster)
     
    Morse stand auf und ging mit schnellen Schritten in den Flur hinaus, wo er gleich neben der Haustür – säuberlich verschnürt – einen Stapel Zeitungen bereitgestellt hatte, der in den nächsten Tagen von einem Fähnlein Pfadfinder abgeholt werden sollte. Morse war selber nie Pfadfinder gewesen und stand der Bewegung mit einiger Skepsis gegenüber, fand jedoch, daß ihre monatliche Altpapiersammelaktion seine Unterstützung verdiene. Ungeduldig löste er den Bindfaden und wühlte sich hastig durch den Stapel. 31. August, 14. September. Die Ausgabe vom 24. August war, wie er befurchtet hatte, nicht dabei. Er überlegte, wen er kannte, der die Sunday Times las, und versuchte es kurzentschlossen bei seinen Nachbarn nebenan. Die Sunday Times ? Nein. Entschiedenes Kopfschütteln. Morse ärgerte sich. Das hätte er sich eigentlich gleich denken können. Lewis fiel ihm ein. Unwahrscheinlich, aber wer weiß … Er wählte die Nummer des Sergeant.
    »Hallo, Lewis? Morse.«
    »Oh, guten Morgen, Sir!«
    »Lewis, lesen Sie die Sunday Times ?«
    »Nein, Sir, tut mir leid, Sir, nur den Mirror .« Es klang fast wie eine Entschuldigung.
    »Schade.«
    »Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen eine, Sir.«
    »Die von

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