Wurst und Wahn
Tiere, die ich nicht esse, auch nicht geschlachtet werden.
Alles sei viel komplizierter, erklärte Bert. Wenn ich plötzlich Vegetarier werde, dann können die fleißigen Arbeiter der Fleischindustrie doch nicht mir nichts, dir nichts aufhören, die Tiere für mich zu produzieren. Wenn ich meinen Entschluss fasse, würden viele Tiere schon schlachtreif für mich in den Ställen stehen. Man kann doch aber nicht einfach so die Bolzenschussanlage abstellen, weil plötzlich noch ein Vegetarier dazugekommen ist. Also müsse man diese armen Tiere schlachten und nach dem Schlachten einfach in den Müll schmeißen. Alles nur, weil ich mir plötzlich zu gut dafür sei, sie zu essen.
Außerdem, erklärte er weiter, könne man sich ja niemals sicher sein, wie lange ein Vegetarier auch Vegetarier bleiben würde. Eines Tages würde ich womöglich wieder in den Supermarkt spazieren undmir eine schöne Roulade kaufen wollen. Als er »Roulade« sagte, wurde mir ganz warm ums Herz. Wenn nun die freundlichen Bauern wegen der ganzen Vegetarier kein Fleisch mehr produzieren, ihre Ställe geschlossen und auf Dinkel umgestellt hätten, dann gäbe es kein Fleisch mehr, obwohl das der Körper so dringend benötigt. Dann würden mich im Supermarkt leere Regale anstarren und hinter der einstigen Fleischtheke würden Sojasprossen ins Kraut schießen. Dann würde es Jahre dauern, bis man wieder für alle Fleisch produzieren könne. Also würden die freundlichen Herrschaften von der Industrie für uns vordenken und wohl oder übel alljährlich Millionen sogenannter Reservetiere mitlaufen lassen, für den Fall, dass die Vegetarier wieder zur Vernunft kämen. Das heißt, dass Jahr für Jahr Millionen von toten Tieren direkt auf die Müllkippe geworfen würden – wegen des Vegetarismus. Einmal ganz abgesehen davon, dass das ganze Getreide und Gemüse, das die verschissenen Vegetarier in sich hineinschaufeln würden, irgendwoher kommen müsse und insofern den Tieren weggenommen werde, die dann dem Hungertod anheimfallen.
Und die anderen Tiere, die nicht produziert werden, ob ich mir einbilden würde, dass die froh wären. Ob ich mir denn wünschen würde, nicht geborenworden zu sein, um die Schrecken des Todes zu vermeiden? Ich schaute ihn nachdenklich an, gerade in diesen Wochen waren mir solche Gedanken manchmal gekommen.
Nein, wandte Bert ein, mein derzeitiger Zustand zähle überhaupt nicht. Er meine früher, normalerweise. Sicher hätte ich mir da nicht gewünscht, nicht am Leben zu sein. Und die leckeren Hühner, die saftigen Schweine und die würzigen Kälber, die würden sich auch wünschen, für mich geboren zu werden, aber ich würde dem ja einen Strich durch die Rechnung machen mit meiner lebensfeindlichen Lebensweise. Die Frage, ob man für oder gegen die Abtreibung sei, wäre im Falle eines Vegetariers vollkommen gleichgültig, da diese Menschen ohnehin täglich ungeborenes Leben vernichten.
Aber die Umwelt, warf ich ein, was ist mit der Umwelt?
Pah, die Umwelt! Bert winkte nur ab. Seit wann es der Umwelt geschadet habe, dass es Tiere gibt? Daran könne man doch erkennen, was das für ein verqueres Weltbild sei! Das einzige Tier, das der Umwelt Schaden zufüge, sei der Vegetarier. Natürlich würden die Kühe Gras fressen und pupsen, aber warum denn? Weil sie vorher die ganzen giftigen Gase aus den Gräsern sammeln und dann ab und zu malein kleines Wölkchen ablassen müssen. Was, das solle ich mir mal überlegen, wäre denn, wenn die ganze Welt plötzlich zum Vegetarismus konvertiere? Dann würden die Menschen Bohnen, Erbsen und Linsen essen statt köstlicher Steaks und saftiger Schnitzel. Und dann? Was, wenn Milliarden von Menschen sich von Hülsenfrüchten ernährten? Eine wahre Gasexplosion hätte das zur Folge! Die gelegentlichen Darmwinde der Rinder würden sich im Vergleich dazu lächerlich gering ausnehmen. Die Kühe würden bei genauer Betrachtung unsere Fürze auf sich nehmen.
Außerdem sei es doch auch nicht umweltfreundlich, ein bestehendes Haus abzureißen, um dafür ein Niedrigenergiehaus zu bauen oder sein Auto ins Meer zu fahren, um sich ein sparsameres zu kaufen. Man könne den Vegetarismus nicht nur mit den Augen eines neunjährigen Mädchens betrachten, das gern ein Pferd besitzen oder eine Kuh am Leben lassen möchte. Wenn die Menschheit von heute auf morgen dem Massenvegetarismus anheimfiele, dann müssten Ställe, Separatorenfleischsilos, Mischfutterfetttanks abgerissen werden, grünes, saftiges Weideland
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