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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Dörfern sprachen, ihm so manches Mal den Schlaf gestört hatten. Er wachte dann auf und lauschte aufmerksam; der Klang und die Rhythmen ähnelten so sehr der menschlichen Sprache, daß er schließlich das eine oder andere verstand. Es war von Hunger die Rede und Krankheit, von Raubüberfällen und Brandschatzung, von Menschen, die getötet oder verschleppt worden waren.
    Von einem Zweig des Affenbrotbaumes hing neben dem jaliba ein Ziegenfell mit den Zeichen, die sprechen, arabischen Lettern, vom arafang aufgezeichnet. Im flackernden Feuerschein sah Kunta den jaliba mit den gekrümmten Trommelstöcken auf jeweils andere Teile des Trommelfells schlagen. Er rief nach dem zunächst lebenden Zauberer, der die bösen Geister aus Juffure vertreiben sollte.
    Die Bewohner wagten nicht, zum Mond aufzuschauen, alle gingen eilig heim und legten sich ängstlich schlafen. Während der Nacht wiederholten von Zeit zu Zeit ferne Trommeln die Bitte Juffures um einen Zauberer. Kunta lag zitternd unter seiner Felldecke und fürchtete, daß der Neumond auch anderswo hinter Wolken verborgen war.
    Am folgenden Tag gingen die Männer im Alter von Omoro auf die Felder und halfen den Jüngeren, die fast reife Ernte vor hungrigen Pavianen und Vögeln zu schützen, die sich stets um diese Zeit einfanden. Die Knaben aus dem zweiten kafo wurden zu erhöhter Wachsamkeit beim Hüten der weidenden Ziegen ermahnt, während Mütter und Großmütter sich näher als üblich bei den kleinen Kindern aufhielten. Die größten Kinder des ersten kafo , also etwa die im Alter von Kunta und Sitafa, wurden angewiesen, unweit vom hohen Zaun zu spielen, der das Dorf umgab; dort sollten sie Ausschau halten nach Fremden, die sich dem Baum der Reisenden näherten, der nicht weit entfernt stand. Das taten sie auch, doch kam an diesem Tage niemand.
    Der Zauberer erschien am Vormittag des nächsten Tages, ein sehr alter Mann, der sich auf einen langen Stab stützte und auf dem Kopf ein Bündel trug. Als die Kinder ihn erblickten, liefen sie schreiend ins Dorf. Die alte Nyo Boto humpelte zu der großen tobalo- Trommel und schlug mächtig darauf, woraufhin die Männer von den Feldern herbeieilten und eben noch rechtzeitig anlangten, um zu sehen, wie der Zauberer zum Dorf hereinkam.
    Die Einwohner drängten sich um ihn, der geradewegs auf den Affenbrotbaum zuschritt und dort behutsam sein Bündel absetzte. Er hockte sich nieder und leerte einen verschrumpelten Sack aus Ziegenleder auf dem Boden aus; es kamen lauter getrocknete Gegenstände zum Vorschein, eine kleine Schlange, der Kieferknochen einer Hyäne, Affenzähne, die Schwinge eines Pelikans, Füße von Hühnervögeln und fremdartige Wurzeln. Er sah sich schweigend um und bedeutete der ehrfürchtigen Menge, mehr Platz zu machen. Man wich zurück, und sogleich begann er am ganzen Körper zu zittern, ganz offenbar wurde er von Juffures bösen Geistern angefallen.
    Der Körper des Zauberers zuckte heftig, sein Gesicht verzerrte sich, die Augen rollten wild, und mit zitternden Händen bemühte er sich aus aller Kraft, den widerstrebenden Stab mit den geheimnisvollen Gegenständen in Berührung zu bringen. Als er das mit äußerster Anstrengung endlich fertiggebracht hatte, stürzte er nach hintenüber und lag da, wie vom Blitz getroffen. Die Zuschauer atmeten hörbar auf. Allmählich belebte er sich wieder. Die bösen Geister waren ausgetrieben. Mit schwachen Knien erhob sich der Zauberer, und die Erwachsenen liefen zu ihren Hütten, von wo sie erschöpft, aber getröstet mit Geschenken zurückkamen. Der Zauberer verstaute diese in sein Bündel, das bereits schwer war von Geschenken, die er anderswo gesammelt hatte, und machte sich zu seinem nächsten Ziel auf den Weg. Allah in seiner Barmherzigkeit hatte Juffure wieder einmal verschont.

Kapitel 9
    Zwölf Monde waren vorübergegangen, und als die großen Regen nachließen, begann in Gambia die Reisezeit. Auf den verzweigten Pfaden zwischen den Dörfern waren so viele Wanderer unterwegs, von denen manche Juffure besuchten, andere aber nur vorbeigingen, daß Kunta und seine Spielkameraden sich fast täglich als Wächter bewähren konnten. Hatten sie das Dorf vom Erscheinen eines Fremden in Kenntnis gesetzt, liefen sie ihm entgegen, wenn er sich dem Baum der Reisenden näherte. Sie gingen neben ihm her, stellten ihm neugierige Fragen und hielten Ausschau nach Zeichen, aus denen sein Auftrag oder sein Beruf sich entnehmen ließ. Glaubten sie ein solches Zeichen gefunden

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