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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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schon appetitanregend von den Küchenfeuern. Während der Ernte wurde dreimal täglich gebratenes Fleisch aufgetragen.
    Als Kunta sich vollgestopft hatte, bemerkte er, übrigens nicht zum erstenmal, daß seine Mutter mit einer Näharbeit beschäftigt war. Sie selber gab dafür keine Erklärung, und Kunta fragte auch nicht, aber als er am folgenden Morgen die Hacke aufnahm und hinausgehen wollte, sagte sie beiläufig: »Warum ziehst du denn nichts an?«
    Kunta fuhr herum, wie vom Blitz getroffen. Richtig, an einem Haken hing ein funkelnagelneuer dundiko. Er beherrschte seine Erregung mit Mühe, nahm das Hemd vom Haken, streifte es über und schlenderte zur Tür hinaus, wo er auf seine Altersgenossen traf, die allesamt gleich ihm zum erstenmal im Leben bekleidet waren und sich vor Freude nicht zu lassen wußten, weil sie nun endlich ihre Blöße bedecken konnten. Sie gehörten jetzt offiziell zum zweiten kafo , sie wurden Männer.

Kapitel 10
    Als Kunta abends die Hütte seiner Mutter betrat, hatte er sich bereits von ganz Juffure in seinem dundiko bewundern lassen. Obwohl er tagsüber unermüdlich gearbeitet hatte, fühlte er sich kein bißchen müde und wußte genau, daß er zur üblichen Schlafenszeit kein Auge würde zutun können. Binta würde ihm jetzt vielleicht erlauben, länger aufzubleiben, schließlich war er erwachsen. Doch bald nachdem Lamin eingeschlafen war, schickte sie ihn wie gewöhnlich zu Bett, nicht ohne ihn zu ermahnen, den dundiko aufzuhängen.
    Er wandte sich ab, so offenkundig schmollend, wie er es sich getraute, und wurde von seiner Mutter zurückgerufen. Wahrscheinlich wird sie schimpfen, dachte Kunta, vielleicht hat sie es sich aber auch anders überlegt. »Du sollst morgen früh zu deinem fa kommen«, sagte sie beiläufig. Kunta wußte, daß er nicht fragen dürfe, warum, und sagte daher nur: »Ja, Mama« und wünschte ihr gute Nacht. Nun konnte er schon gar nicht mehr schlafen, denn er zerbrach sich den Kopf darüber, was er wohl wieder verbrochen haben könnte. Es fiel ihm aber beim besten Willen nichts ein, schon gar nichts, was so schlimm gewesen wäre, daß seine Mutter ihn nicht selbst dafür verprügelt hätte; der Vater griff nur ein, wenn es sich um ganz ernste Sachen handelte. Endlich schlief er doch ein.
    Beim Morgenmahl war Kunta so gedämpft, daß er sich kaum an seinem dundiko freute, doch als der nackte kleine Lamin gegen ihn streifte, hob er schon die Hand, um ihn wegzuschubsen, wurde aber von einem tadelnden Blick der Mutter daran gehindert. Nach dem Essen drückte er sich noch ein Weilchen in der Hütte herum, in der Hoffnung, die Mutter möge wenigstens eine Andeutung machen, als das aber ausblieb, ging er widerstrebend hinaus und trollte sich langsam zur Hütte seines Vaters, vor der er stehenblieb, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    Omoro trat heraus und überreichte seinem Sohn wortlos eine neue kleine Schleuder. Kuntas Herz blieb beinahe stehen. Er betrachtete die Schleuder, blickte den Vater an und wußte nicht, was er sagen sollte. »Du gehörst jetzt zum zweiten kafo. Benutze die Schleuder nur, wo es angebracht ist, und verfehle nicht dein Ziel.«
    Kunta brachte nichts weiter heraus als: »Ja, fa. «
    »Da du nun zum zweiten kafo gehörst«, fuhr Omoro fort, »wirst du die Ziegen hüten und zur Schule gehen. Die Ziegen hütest du heute mit Toumani Touray. Er und die anderen älteren Jungen werden dir zeigen, wie es gemacht wird. Folge ihnen. Morgen früh gehst du zum Schulhof.« Omoro ging wieder in seine Hütte, und Kunta rannte zum Ziegenstall, wo er seinen Freund Sitafa antraf und die übrigen seines kafo , alle in ihren neuen dundikos , ausgerüstet mit neuen Schleudern, die Onkel oder ältere Brüder gemacht hatten, wenn die Knaben keinen Vater mehr hatten.
    Die älteren Jungen öffneten die Ställe, und die Ziegen brachen meckernd aus, begierig auf die Weide. Kunta versuchte, in die Nähe von Toumani zu kommen, dem erstgeborenen Sohn eines Paares, das eng mit seinen Eltern befreundet war. Toumani und seine Freunde scheuchten die Ziegen aber gegen die kleineren Jungen, die denen so gut als möglich auszuweichen versuchten. Bald schon aber trieben die lachenden älteren Knaben und ihre Hunde die Ziegen den staubigen Pfad hinunter, und Kuntas kafo rannte unsicher hinterdrein, die Schleudern krampfhaft festhaltend und Dreck von ihren dundikos klopfend.
    Ziegen waren für Kunta nichts Neues, nur war ihm bisher nie klargeworden, wie schnell sie laufen

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