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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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in Princeton hatte man ihm irgendeinen Lehrstuhl angeboten, und anfangs gab es noch Anrufe hin und her, dann Weihnachts- und Geburtstagskarten, dann nichts mehr. Bis eines milden Sommerabends 1984 in Cambridge, als der alte Ort sein perfektestes Märchenimage bot, eine Amerikanerin an die Eichen-, die Außentür von Professor Solankas Räumlichkeiten - ehemals von E. M. Förster bewohnt - im Treppenhaus  A über der Studentenbar klopfte. Sie hieß Perry Pincus; und war feingliedrig, dunkel, großbusig, sexy, jung, aber zum Glück nicht jung genug, um eine Studentin zu sein. All diese Dinge machten sofort einen positiven Eindruck auf Solankas melancholische Stimmung. Er erholte sich gerade vom Ende einer ersten, kinderlosen Ehe, und Eleanor Masters lag noch in ferner Zukunft. »Krysztof und ich sind gestern in Cambridge angekommen«, sagte Perry Pincus. »Wir wohnen im Garden House. Oder vielmehr, ich wohne im Garden House. Er ist im Addenbrooke’s abgestiegen. Gestern abend hat er sich die Pulsadern aufgeschnitten. Er war furchtbar depressiv. Er hat nach Ihnen gefragt. Haben Sie einen Drink für mich?«
    Sie kam herein und musterte die fremde Umgebung anerkennend. Die Häuser, kleine und größere, und die humanoiden Figuren, die überall herumsaßen, winzige Gestalten in den Häusern natürlich, aber auch andere außerhalb, auf Professor Solankas Möbeln, in den Winkeln seiner Zimmer, weiche und harte Figuren, männlich und weiblich, ebenfalls größere und kleine. Perry Pincus war sorgfältig - wenn auch dick - bemalt, ihre Augenlider wurden von schweren schwarzen Wimpernverlängerungen herabgezogen, und sie trug die volle Sexkampfausrüstung, ein kurzes, enges Outfit und Stilettos. Nicht die übliche Aufmachung einer Frau, deren Liebhaber gerade einen Selbstmordversuch begangen hat, aber sie bot keine Entschuldigungen für sich an. Perry Pincus war eine junge Absolventin des Fachs Englische Literatur, der es gefiel, mit den Stars ihrer zunehmend unklösterlichen Welt zu bumsen. Als Anhängerin beiläufiger Begegnungen waren deren Konsequenzen (Ehefrauen, Selbstmorde) nicht ihr Ding. Aber sie war strahlend, lebhaft und hielt sich, wie wir alle es tun, für einen akzeptablen Menschen, wenn nicht vielleicht sogar für einen guten. Nach ihrem ersten Schluck Wodka - Professor Solanka hatte stets eine Flasche davon im Tiefkühlfach - sagte sie sachlich: »Es ist eine klinische Depression. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er ist süß, aber ich bin nicht gut darin, Männern mit Problemen Hilfestellung zu leisten. Ich bin nicht der Krankenschwesterntyp. Ich mag lieber Männer, die die Verantwortung übernehmen.« Nach zwei Gläsern sagte sie: »Ich glaube, er war noch Jungfrau, als wir uns kennenlernten. Wäre das möglich? Er wollte es natürlich nicht zugeben. Behauptete, zu Hause gelte er als gute Partie. Das erwies sich als zutreffend, finanziell gesehen, aber ich bin kein geldgieriger Typ.« Nach drei Gläsern sagte sie: »Alles, was er wollte, war einen Blow Job oder mich in den Arsch ficken. Was schon okay war, wissen Sie, wie auch immer. Davon krieg’ ich ’ne ganze Menge. So seh ich eben manchmal aus: Junge mit Titten. Das zieht die sexuell verwirrten Kerle an. Glauben Sie mir. Ich weiß Bescheid.« Nach vier Gläsern sagte sie: »Da wir gerade von sexuell Verwirrten sprechen, Professor: tolle Püppchen.«
    Er entschied, daß er Hunger hatte, aber nicht so großen Hunger, und führte sie sanft die Treppe hinunter, auf die King’s Parade hinaus und in ein Taxi. Durchs Fenster starrte sie ihn mit verschmiertem Make-up und verwirrtem Ausdruck an, dann lehnte sie sich zurück, schloß die Augen und zuckte ganz leicht die Achseln. Was auch immer. Später erfuhr er, daß Perry Arschkneiferin in den Literaturzirkeln weltweit berühmt war. Heutzutage konnte man aus allen möglichen Gründen berühmt werden, und das war sie.
    Am nächsten Morgen besuchte er Dubdub - nicht im Hauptkrankenhaus, sondern in einem hübschen, alten Backsteinbau, der ein Stückchen die Trumpington Road hinunter auf einem grünen, belaubten Grundstück stand: wie ein Landhaus für die Hoffnungslosen. Dubdub stand, eine Zigarette rauchend, an einem Fenster und trug einen frischen, breit gestreiften Pyjama unter dem, was wie sein alter Schulmorgenrock aussah, ein zerschlissenes, fleckiges Kleidungsstück, das möglicherweise die Rolle einer Sicherheitsdecke spielte. Seine Handgelenke waren bandagiert. Er wirkte schwerer, älter, doch dieses

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