Wut
hatte, waren ganz einfach liebenswürdig und schienen ihren Sohn sehr zu lieben. Dennoch war Waterford-Wajda eindeutig verzweifelt und bezeichnete, wenn er betrunken war, seine Stelle am King’s sogar als verdammten Rettungsanker, das einzige, was ich habe . Und das, während er nach normalen Maßstäben doch so vieles hatte. Den schnellen Wagen, das Schlagzeug, den Familiensitz in Roehampton, den Treuhandfonds, die Tatlerischen Verbindungen. In einem Anfall von Mitgefühlsverweigerung, den er später sehr bedauerte, ermahnte er Dubdub, sich nicht so sehr im Selbstmitleid zu suhlen. Dubdub erstarrte, nickte, stieß ein hartes Lachen aus - »HA-ha-ha-HA« - und sprach viele Jahre lang nie wieder über persönliche Dinge. Die Frage nach Dubdubs intellektuellen Fähigkeiten blieb für viele seiner Kollegen unbeantwortet: das Dubdub-Rätsel. Er wirkte so oft so töricht - ein Spitzname, der sich nicht hielt, weil er selbst für Cambridge-Männer zu grausam war, lautete Pooh, nach dem unsterblichen Bären des Braingirls doch seine akademischen Leistungen trugen ihm so manche Beförderung ein. Die Arbeit über Voltaire, mit der er den Doktorgrad errang und die für ihn das Sprungbrett für seinen späteren Ruhm bildete, las sich wie eine Verteidigung von Pangloss - sowohl des anfänglichen Leibnizschen Überoptimismus dieses ehrenwerten, doch imaginären Herrn als auch seines späteren, abwehrenden Quietismus. Dies widersprach so grundlegend den dystopischen, kollektivistischen, politisch engagierten Zeitströmungen, in denen er schrieb, daß es auf Solanka genauso wie auch auf andere ernstlich schockierend wirkte. Dubdub hielt alljährlich eine Reihe von Vorlesungen mit dem Titel Cultiver Son Jardin. Nur wenige Vorlesungen in Cambridge - die von Pevsner, Leavis, keine weiteren - hatten vergleichbar zahlreiche Hörer gehabt. Die jungen Menschen (oder, um genau zu sein, die jüngeren, denn Dubdub hatte trotz seiner stockkonservativen Aufmachung mit seiner Jugend noch nicht abgeschlossen) kamen, um zu stören und zu buhen, gingen dann aber eher ruhig und nachdenklich hinaus, verführt von seinem zutiefst friedfertigen Wesen, von derselben blauäugigen Naivität und der gleichzeitigen Gewißheit, gehört zu werden, die Malik Solanka am ersten Tag an der Universität aus seinen Angstzuständen gerissen hatten.
Die Zeiten ändern sich. Eines Morgens Mitte der Siebziger stahl sich Solanka ganz hinten in den Hörsaal seines Freundes. Was ihn jetzt beeindruckte, war die Härte dessen, was Dubdub hier äußerte, und die Art, wie er es mit seiner stark kontrastierenden, nahezu pythonesken Nervosität entschärfte. Beobachtete man ihn, sah man einen Gecken in Tweed, hoffnungslos weit weg von dem, was damals immer noch als Zeitgeist bezeichnet wurde. Hörte man ihm jedoch zu, vernahm man etwas ganz anderes: eine allumfassende, Beckettsche Trostlosigkeit. »Erwartet nichts, das wißt ihr doch«, erklärte Dubdub ihnen, den linken Radikalen wie den bärtigen Kahlen, und schwenkte ein ramponiertes Exemplar von Candide . »Hier steht es, in diesem guten Buch. Das Leben läßt sich nicht verbessern. Schrecklich zu hören, ich weiß, aber da haben Sie’s. Besser als jetzt wird’s nicht werden. Die Perfektionierbarkeit des Menschen ist, könnte man sagen, ganz einfach ein schlechter Witz Gottes.«
Zehn Jahre zuvor, als noch verschiedene Utopien - die marxistische, die von den Hippies vertretene - scheinbar hinter der nächsten Ecke zu finden waren, als wirtschaftlicher Wohlstand und Vollbeschäftigung es den intelligenten jungen Menschen erlaubten, ihren brillanten, idiotischen Aussteigerphantasien oder revolutionären Impulsen nachzugehen, wäre er vielleicht gelyncht oder wenigstens durch Zwischenrufe zum Schweigen gebracht worden. Dies aber war das England in den Nachwehen des Bergarbeiterstreiks und der Dreitagewoche, ein gespaltenes England nach dem Vorbild von Luckys großem Monolog in Warten auf Godot , in dem der Mensch, kurz gesagt, schrumpfte und degenerierte und jener goldene Moment des Optimismus, da die beste aller möglichen Welten gleich um die Ecke zu liegen schien, sehr schnell verblaßte. Dubdubs stoische Auffassung von Pangloss - freu dich der Welt, mit Warzen und allem, denn sie ist alles, was du hast, und Freude wie Verzweiflung sind daher austauschbar - kam sehr schnell zum Tragen.
Sogar Solanka war davon beeindruckt. Während er sich bemühte, seine Gedanken über das ewige Problem von Autorität und Individuum
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