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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Fähigkeiten und Begabungen hinzu. Eine dieser Innovationen befähigte sie, das heimische Feuerwasser als Flugtreibstoff zu benutzen. Mit Flaschen voll Schnaps, für den Fall, daß sie nachtanken wollten, schwang sich die Cyborg-Luftwaffe in die Lüfte, ohne Flugzeuge zu benutzen, und fing die hereinkommenden Rijk-Maschinen, um sie zu zerstören, mit Spydernets ein, gigantischen, mit Sprengsätzen gespickten Metallnetzen, die sie quer über den Himmel spannten. Auch unter Wasser legten sie ähnliche Netzfallen (sie hatten ihre Lungen zur unterseeischen Verwendung modifiziert und konnten daher die gesamte Rijkflotte von unten her sabotieren und in die Flucht schlagen). Die sogenannte Schlacht der Antipoden war gewonnen, am Himmel und auf den Meeren wurde es still. Auf der anderen Seite von Galileo-I wurde das Land des Rijk von den Fluten verschlungen. Falls Akasz Kronos Mitleid mit seinen ertrunkenen Landsleuten empfand, so erwähnte er das mit keinem Wort.
    Nach dem Sieg änderten sich jedoch die Dinge. Die Marionettenkönige kehrten mit einem neuen Selbstwertgefühl, ja sogar einem stolzen Bewußtsein ihrer Rechte aus dem Krieg zurück. Um sie wieder zur Vernunft zu bringen, verkündete Kronos einen dringenden Wartungs- und Reparaturzeitplan. Viele Cyborgs versäumten ihre Termine in seiner Werkstatt und zogen es - im Fall jener, die in der Schlacht Schaden genommen hatten - vor, mit ihren Behinderungen zu leben: ihren fehlfunktionierenden Servo-Mechanismen und teilweise verschmorten Schaltkreisen. Etliche Marionettenkönige wurden unzufrieden, geheimniskrämerisch und finster. Kronos argwöhnte, daß sie sich heimlich trafen, um sich gegen ihn zu verschwören, und hörte Gerüchte, daß sie einander bei diesen Versammlungen nicht bei den gewohnten Zahlen nannten, sondern bei neuen Namen, die sie sich selbst gegeben hatten. Er wurde tyrannisch, und als eins von den Drei Society Girls ihm gegenüber frech wurde, statuierte er an ihr ein Exempel und richtete seinen gefürchteten Master Blaster gegen sie, womit er bewirkte, daß all ihre Programme sofort und unwiderruflich gelöscht wurden: mit anderen Worten, kybernetischer Tod.
    Die Hinrichtung erwies sich als kontraproduktiv.
    Die Unzufriedenheit wuchs noch schneller als zuvor. Viele Cyborgs gingen in den Untergrund, errichteten um ihr Versteck kunstvolle elektronische Anti-Überwachungs-Schilde, die nicht einmal Kronos ohne weiteres durchbrechen konnte, und blieben ständig in Bewegung, so daß die Revolutionäre sich, bis der Professor einen Verteidigungsring überwand, bereits hinter dem nächsten verschanzt hatten. Wir können nicht exakt und präzise sagen, wann es dem Puppenmacher, den Akasz Kronos nach seinem eigenen Abbild geschaffen und mit seinen eigenen Charakterzügen versehen hatte, gelang, die Oberste Direktive zu durchbrechen. Aber kurz nach diesem Durchbruch war es Professor Akasz Kronos, der verschwand. Da er seiner Geschöpfe nicht mehr sicher sein konnte, mußte er untertauchen, während die PK-Revolution triumphierend zutage trat, um von den Jubelrufen aller Cyborgs in Baburia stürmisch begrüßt zu werden.
    Das sogenannte Letzte Wort von Professor Kronos existiert nur in Gestalt einer elektronischen Nachricht an seinen Usurpator, den Cyborg-Puppenmacher. Es ist ein weitschweifiger, zusammenhangloser Text, in dem er sich ständig rechtfertigt, die Marionettenkönige undankbar nennt und Drohungen ausstößt. Es gibt jedoch gute Gründe für die Vermutung, daß dieser Text eine Fälschung ist, vielleicht das Werk des Puppenmachers selbst. Die Vorstellung eines wahnsinnigen Kronos , dessen vernunftbegabtes Spiegelbild er war, paßte dem Cyborg gut ins Programm; und da die Geschichte stets auf das Finstere lüstern ist, wurde diese Version weithin akzeptiert. (Das einzige Porträt des Kronos ist, wie wir schon festgestellt haben, bemerkenswert wegen des Wahnsinns im Blick des Wissenschaftlers.) In letzter Zeit hat die Entdeckung von Teilen des Tagebuchs des Professors Kronos ein neues Licht auf seinen Geisteszustand geworfen. Aus diesen Fragmenten, deren Authentizität absolut sicher zu sein scheint, denn die Handschrift ist eindeutig die des Professors, ergibt sich ein völlig anderer Kronos. Auch die Götter ermordeten die Titanen, die sie geschaffen hatten , schreibt Kronos. Das künstliche Leben spiegelt nur die Realität. Denn der Mensch ist in Ketten geboren, sucht aber überall die Freiheit. Auch ich hatte früher einmal Fäden. Ich liebte

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