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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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strahlte vor Freude darüber, daß er das Wächteramt über den einzigen Leib zurückerobert hatte, der ihm wichtig war. Der Blick, den Eddie Solanka über Milas Schulter hinweg zuwarf, war bemerkenswert ausdrucksstark. Buddy, sagte er, du hast keinen Zutritt mehr zu dieser Adresse; zwischen dir und dieser Lady ist jetzt eine rote Samtkordel gespannt, und deine Akkreditierung ist so erloschen, daß du nicht mal daran denken solltest, auch nur einen Schritt in diese Richtung zu tun - natürlich nur, wenn du nicht willst, daß ich dir gründlich die Zähne putze, und zwar mit deinem eigenen Rückgrat als Zahnbürste.
    Am folgenden Nachmittag stand sie jedoch vor seiner Tür. »Geh bitte mit mir irgendwo hin, wo’s elegant und teuer ist. Ich muß mich mal schönmachen und Berge von Essen in mich hineinstopfen.« Essen war Milas normale Reaktion auf Kummer, Trinken ihre Antwort auf Zorn. Traurig ist vermutlich besser als wütend, sinnierte Solanka wenig versöhnlich. Jedenfalls leichter für mich. Zum Ausgleich für diesen selbstsüchtigen Gedanken rief er in einem zur Zeit vielgepriesenen Lokal an, einem auf Kuba gestylten Bar-Restaurant in Chelsea mit dem Namen Gio zu Ehren von Dona Gioconda, einer alternden Diva, deren Stern in jenem Buena-Vista-Sommer strahlend leuchtete und in deren träger Rauchfahne von Stimme das ganze alte Havanna zum stolzierenden, verführerischen, schmeichelnden Leben wiedererwachte. Solanka bekam so mühelos einen Tisch, daß er darüber eine Bemerkung zu der Dame machte, die seine Bestellung aufnahm. »Die City ist jetzt wie ’ne Geisterstadt«, stimmte sie ihm distanziert zu. »Nichts mehr los. Bis heute abend um neun, also.«
    »Du hast mich verlassen, und ich sterbe«, sang Gioconda über das Lautsprechersystem des Lokals, als Solanka und Mila hereinkamen, »aber nach drei Tagen stehe ich wieder auf. Geh nicht auf meine Beerdigung, Dummkopf, ich werde ausgehen und mit einem besseren Mann tanzen. Auferstehung, Auferstehung, und Baby, ich werde dafür sorgen, daß du weißt, wann.« Mila übersetzte den Text für Solanka. »Das ist perfekt«, fügte sie hinzu. »Hörst du zu, Malik? Denn wenn ich mir ein Chanson wünschen könnte, würde ich genau dieses nehmen. Wie es so schön im Radio heißt, die Botschaft liegt in den Worten. Oh, du dachtest, du könntest mich zerbrechen, und es stimmt, ich bin jetzt zerbrochen, aber in drei Tagen werden sie mich wecken, aus der Ferne wirst du sehen, wie ich mich verneige. Auferstehung, Auferstehung, jetzt kann jeden Tag ein neues Leben beginnen. «
    An der Bar kippte sie sehr schnell einen Mojito und bestellte sofort den nächsten. Solanka erkannte, daß ihm ein schwererer Ritt bevorstand, als er erwartet hatte. Nachdem sie das zweite Glas geleert hatte, ging sie zum Tisch, bestellte sämtliche scharfen Gerichte, und dann gab sie’s ihm. »Du kannst dich glücklich schätzen«, erklärte sie ihm und machte sich an die Guacamole, »denn offensichtlich bist du ein Optimist. Das mußt du sein, denn es fällt dir so leicht, Dinge wegzuwerfen. Dein Kind, deine Frau, mich, was immer. Nur ein fanatischer Optimist, eine dumme, hirntote Pollyanna oder ein Pangloss , wirft etwas weg, das so kostbar ist, das so selten ist und sein tiefstes Bedürfnis befriedigt, das du, wie du weißt und wie ich weiß, nicht mal benennen oder ansehen kannst, ohne die Läden zu schließen und das Licht zu löschen, du mußt dir ein Kissen auf den Schoß legen und es verstecken, bis jemand kommt, der klug genug ist, um zu wissen, was zu tun ist, irgend jemand, dessen eigenes, unaussprechliches Bedürfnis zufällig genau zu deinem eigenen paßt. Und nun, da wir das geschafft haben, da die Abwehrschirme gesenkt sind und die Verstellung vorüber ist und wir tatsächlich in dem Raum sind, an dessen Existenz wir uns niemals selbst glauben ließen, keiner von uns, der unsichtbare Raum unserer größten Angst - genau in dem Moment, in dem wir entdecken, daß es in diesem Raum keinen Grund gibt, sich zu fürchten, daß wir haben können, was wir wollen, und zwar so lange, wie wir es wollen, und wenn wir dann genug haben, werden wir vielleicht aufwachen und entdecken, daß wir richtige, lebendige Menschen sind und nicht die Marionetten unserer Wünsche, sondern einfach diese Frau, dieser Mann, und können mit dem Spiel aufhören, die Läden öffnen, das Licht ausmachen und Hand in Hand in die Stadt hinaustreten ... genau in dem Moment reißt du plötzlich irgendeine Hure im Park auf und

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