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befürchten, dass Dad sie ins Gebüsch zerren, vergewaltigen und schließlich ihre verstümmelte Leiche unter einem Reisighaufen verscharren könnte.
„Geht mir genau so“, gestand ich. „Aber welche Wahl bleibt uns denn?“
„Wählen kann man immer.“
„Prima, fein, dann werde ich alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durchforsten. Für die gefechtsmäßige Partnersuche braucht man mehrere Eisen im Feuer. Dies ist lediglich eins davon.“
„Ach nee.“ Sie trollte sich Richtung Küche. „Sag mir Bescheid, sobald du eine Entscheidung über das Wo und Wann getroffen hast. Und schreib mir seinen Namen und seine Telefonnummer auf. Für alle Fälle.“
„Jawohl, Mom“, sagte ich, war aber froh, dass sie gefragt hatte. Wenn man wusste, jemand passte auf, wie lange man wegblieb und wo man steckte, fühlte man sich doch ein wenig wohler. Schließlich konnte ein entsprechender Hinweis ja der Polizei die Fahndung nach meinem Mörder erleichtern.
Cassie hatte Recht. So stellte man sich ein Rendezvous beim besten Willen nicht vor.
Ich saß auf einem Hocker vor dem entlang der Flachglasfenster verlaufenden Tresen und nippte an einem Tee. Das „Starbucks“ wimmelte von Angestellten, die hier ihre Mittagspause verbrachten, und von Pseudo-Philosophen um die zwanzig. Das Café thronte über der Nordwestecke des Pioneer Courthouse Square, einem Platz mit roten Pflastersteinen, vielfach auch als Portlands gute Stube bezeichnet.
Ich saß mit dem Rücken zur Fensterscheibe, vor der ein paar Straßenkids herumhingen – Milchgesichter mit Rastalocken und mit in Dritte-Welt-Ländern gewebten Pullovern; Girlies mit kaugummiblau oder ketchuprot gefärbten Haaren und silbernem Glitterstaub im Gesicht; Möchtegern-Maoris, die Nasen und Wangen mit Wirbeln und Schlangenlinien tätowiert. Mir war schleierhaft, wie einer von denen mal einen Job ergattern sollte – höchstens vielleicht in vermeintlich hippen Shops für Oldie-Klamotten, in denen einem merkwürdig riechendes Zeugs als modisch und gar extravagant untergejubelt wurde.
Das Problem war: Sie gemahnten mich zu sehr an die Collegestudenten in Eugene. Mittlerweile hatte ich ein Alter erreicht, in dem einem Individualismus und Expressivität in der Kleidung weder befreiend noch mit dieser magischen Symbolik behaftet erschienen, sondern schlichtweg albern. Und als Defizit. Eine Frau, der ein Silberstift gleich einem überdimensionalen Stahlpickel aus der Unterlippe ragt, nimmt kein Mensch ernst.
Ich gönnte mir noch ein Schlückchen Tee und sah dem Kommen und Gehen der Gäste zu. Zu meinem Rendezvous mit Wade, dem Wald- und Wiesenforscher, war ich zehn Minuten vor der Zeit erschienen und hatte daher reichlich Gelegenheit, mich mit der Frage verrückt zu machen, welcher passende oder unpassende Typ wohl antreten mochte.
Er hatte angekündigt, er werde einen beige-braunen Mantel tragen, nach meinem Dafürhalten die übliche Tarnfarbe für einen Zoologen, der mit der Umgebung zu verschmelzen versucht. Ein Foto fehlte in seiner Anzeige; ohne Zugang zu einem Scanner konnte er mir auch keins per E-Mail schicken. Das einzige Bild von ihm existierte daher lediglich in meinem Kopf. Ich stellte mir ein markantes Kinn vor, breite Schultern sowie Fältchen in den Augenwinkeln, weil er da draußen in der Wildnis so häufig gegen die Sonne blinzeln musste. Und eine tiefe, ruhige Stimme wie bei den Tierfilmern in den Dokumentarserien.
Für einen ganz kurzen Augenblick drückte ich mir selbst die Daumen. Bitte, mach, dass er diese Stimme hat! Bei Frauen, so habe ich mal gehört, sei das Haar das auffälligste Sexsymbol, bei Männern hingegen die Stimme. Die dröhnenden Schwingungen einer Männerstimme im eigenen Brustkorb zu spüren, das fand ich himmlisch: Es war so, als entstehe allein durch das Sprechen schon eine intime Beziehung.
Ein Mann in Khakihosen und blauem Oxford-Hemd betrat das Lokal, braunes Haar, beigefarbenen Anorak überm Arm. Er stellte sich an, um seine Bestellung aufzugeben, ließ seinen Blick wie unbeteiligt durch das Café schweifen und musterte mich beiläufig, dann meldete sich sein Handy, und er zog es aus der Tasche.
Ich beobachtete ihn noch eine Weile, doch er erweckte nicht den Anschein, als hielte er nach mir Ausschau, und ein Handy entsprach nun beileibe nicht meinem Bild von einem Naturburschen.
Ich fragte mich, ob ich meinerseits den Erwartungen eines Mr. Wildlife entsprechen würde – falls er tatsächlich aufkreuzen sollte.
Meine
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