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eigenhändig am Steuer gewesen wäre.
22. KAPITEL
B LAUE B LÜMCHENMUSTER
I ch saß neben Dad, wir beide nebeneinander auf Stühlen an Moms Krankenhausbett. Laut Computertomographie war die Embolie in ihrer linken Großhälfte aufgetreten; es war also ihre rechte Körperhälfte, die nach dem Aufwachen womöglich beeinträchtigt war. Wir saßen zu ihrer Linken, und Dad hielt dabei ihre Hand, um sicherzugehen, dass sie seine Gegenwart auch spürte.
Es war zwei Uhr früh, und die abgedunkelte Intensivstation verströmte eine ruhige Atmosphäre, irgendwie seltsam friedlich. Krankenhäuser hatten mich nie geängstigt: Für mich waren sie stets eine Art „Home Base“ wie beim Baseball gewesen, nur eben für Verletzte und Kranke. Hatte man es dorthin geschafft, war man in Sicherheit. Man wurde versorgt. Irgendwer flickte einen zusammen.
Die Erfahrung, dass es im Falle eines Schlaganfalls wenig zu „flicken“ gab, traf mich wie ein Schock. Man hatte Mom einen Gerinnungshemmer verabreicht, ein Blut verdünnendes Mittel, und damit erschöpften sich schon die Behandlungsmöglichkeiten. Man konnte nicht einfach hingehen und den potenziellen Gehirnschaden kurzerhand beheben, man konnte sie nicht mit Gewalt aus dem Dämmerzustand holen, und man konnte auch einen weiteren Schlaganfall für die Zukunft bei ihr nicht ausschließen.
Wir waren machtlos. Hätte es irgendetwas zu tun gegeben, so hätte ich es erledigt, aber außer Warten war nichts. Mom musste von selber zu sich kommen.
Ich schaute auf ihr Gesicht, schlaff und bewusstlos über dem blau geblümten Krankenhausnachthemd. Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren mochte, wenn sie erwachte und begriff, was mit ihr passiert war. Falls sie überhaupt im Stande war, es zu begreifen. Vielleicht konnte sie nicht mehr lesen. Vielleicht konnte sie nicht mehr sprechen. Mochte sie so wohl weiterleben?
Ich wollte, dass sie auf der Stelle starb, sofort, wollte ihr jegliches Siechtum ersparen und mich vor dem Kummer bewahren, sie leiden sehen zu müssen. Und gleichzeitig sollte sie weiterleben, sich durch jedes nur mögliche Elend schleppen, wenn ich sie nur nicht hergeben musste. Sie durfte ruhig stumm sein, an den Rollstuhl gefesselt, hilflos, und kein Funke Leben in ihr, es wäre dennoch Mom gewesen. Und sie hätte mich nicht allein gelassen.
„Leg dich doch kurz hin und ruh dich aus“, sagte Dad und schreckte mich damit aus meinen Gedanken auf.
„Lass nur, es geht schon.“
„Mach schon! Louise ist sicher noch im Wartezimmer. Holt euch was zu essen oder zu trinken. Ich bleibe bei ihr, solange sie mich lassen.“
„Okay.“ Ich ging nur ungern, scheute aber die Auseinandersetzung noch mehr und dachte, dass es Dad möglicherweise erleichterte, wenn er wenigstens davon ausgehen konnte, dass ich ordentlich versorgt war. „Du findest mich draußen im Wartezimmer, falls du mich brauchst.“
Er nickte, ohne mich dabei anzusehen und ohne den Blick von Mom zu wenden.
Ich marschierte den Korridor hinunter und durch die Türen bis zum außerhalb der Intensivstation liegenden Wartezimmer. Es war ein stiller Raum, wo Teppichboden und Polstermöbel jegliche Trauer etwaiger besorgter Angehöriger dämpften. Illustrierte lagen wahllos auf einem Couchtischchen verstreut, und durch einen Durchlass fiel der Blick auf eine Nische voller summender Verpflegungsautomaten.
Louise und Scott hockten auf einer Couch, und die Tischleuchte neben Louise warf einen goldenen Schimmer auf ihre braunen Locken. Sie musste ihn wohl direkt nach unserer Ankunft, nachdem ich erstmals zu Mom hineingegangen war, benachrichtigt haben. Das Pflegepersonal ließ uns zunächst nur kurzzeitig zu ihr.
Louise sah aus, als gehöre sie ganz selbstverständlich an Scotts Seite, neben den Mann mit dem dunklen Haar und dem makellosen Kinn. Sie hätten durchaus Bruder und Schwester sein können; oder Mann und Frau – jedenfalls eins von den Paaren, die sich mit zunehmendem Alter immer ähnlicher sehen. Flüchtig schoss mir durch den Kopf, dass die zwei vielleicht eines Tages, Louises gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz, doch wieder zueinander finden könnten.
„Hannah“, sagte Louise bei meinem Eintreten und erhob sich.
Scott wandte sich um und sah mich, stand dann auf, kam auf mich zu und schloss mich in die Arme. „Tut mir so schrecklich Leid“, sagte er leise in mein Haar hinein.
In diesem Moment fiel mir ein, dass Scotts Vater einige Jahre zuvor infolge eines Herzinfarktes verstorben war. Er hatte
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