Wyler, Leana
der Appetit auf ein Liebesspiel mit ihr plötzlich vergangen? Susannah schöpfte neue Zuversicht. Offenbar hatte die Unterbrechung durch den Diener seiner Mutter Nottinghams Lust zum Erlöschen gebracht.
Ruckartig fuhr sein Kopf herum und er blickte sie kalt an.
„Was dich angeht – halte dich bereit. Ich lasse dich rufen, wenn ich deine Dienste benötige. Im Augenblick habe ich genug andere Dinge zu tun. Und jetzt verschwinde hier!“
Das ließ sich Susannah nicht zweimal sagen.
*
Endlich wieder zu Hause! Susannah schlich ins Haus, wusch sich notdürftig und begann, das Frühstück vorzubereiten. Ihr Vater verfügte über einen äußerst tiefen Schlaf und hatte dadurch hoffentlich nichts bemerkt von ihrer langen Abwesenheit. Zum Glück war es nicht ungewöhnlich, dass sie als Hebamme nachts bei einer Niederkunft zugegen war und erst am nächsten Tag zurückkam. Aber sie log ihren alten Herren ungern an.
Als er angeschlurft kam, aßen sie miteinander und besprachen ein paar Krankenfälle. Lange würde es sicher nicht dauern, bis die Nachricht auch zu ihm vordrang, dass seine Tochter vom Sheriff mitgeschleppt worden war. Aber im Moment hatte sie überhaupt keine Lust, sich irgendeine Geschichte dazu einfallen zu lassen. Ihr Vater hatte es zum Glück eilig. Es galt noch einige verletzte oder erkrankte Dorfbewohner zu besuchen, die seit seiner Rückkehr auf ihn warteten.
Susannah legte sich in ihr eigenes, wunderbar einsames Bett und holte ein paar Stunden Schlaf nach, die ihr fehlten. Als sie zur Mittagszeit aufwachte, fühlte sie sich besser. Sie erntete im Garten Gemüse und kochte ein einfaches Mittagessen. Ihr Vater würde seine Schüssel am Abend essen, er war den ganzen Tag in der weiteren Umgebung unterwegs. Im Vergleich zu vielen anderen im Dorf ging es den Williams gut, denn sie wurden oft in Naturalien bezahlt, obwohl selbst die langsam knapp wurden.
Sie setzte sich alleine an den groben Holztisch, aß mit wenig Appetit und versuchte, nicht daran zu denken, was im Castle noch auf sie zukommen könnte. Anschließend ging sie hinaus und jätete Unkraut, eine Arbeit, die sie hasste und die deshalb gut zur Ablenkung war.
Nachmittags erledigte sie ein paar Hebammenbesuche in der Umgebung. Susannahs Dienste beschränkten sich nicht nur auf Frauen, die ein Kind erwarteten oder ein Neugeborenes hatten. Auch viele der kinderlosen oder älteren Nachbarinnen zogen es vor, bei kleineren Wehwehchen die Hebamme statt des männlichen Arztes um Rat zu fragen. Und manche ihrer selbst angerührten Arzneien hatten Frauen schon davor bewahrt, jedes Jahr ein Kind zu bekommen.
Susannah war hier im Dorf aufgewachsen und die Frauen sprachen sehr offen mit ihr, nicht nur über Kinderpflege. Auch Dinge, die sich zu Hause auf der Bettstatt ereigneten, vertrauten die Nachbarinnen ihr an. Anfangs war es für sie eigenartig gewesen, wenn sie einem klobigen Schmied oder Holzarbeiter über den Weg lief und genau wusste, was der bei Nacht gerne mit seinem Weib anstellte oder mit welchen Kniffen diese ihn zum Stöhnen brachte. Aber inzwischen hatte sich Susannah daran gewöhnt, auch in diesem Bereich ein ordentliches Wissen zusammengetragen zu haben und manch weisen Ratschlag von Frau zu Frau weitergeben zu können.
Dies alles gehörte zur Arbeit einer Hebamme dazu, das hatte ihr damals schon ihre Lehrmeisterin prophezeit. „Wir Hebammen würden auch sehr gewandte Huren abgeben, nur dass wir hübscher sind als die”, hatte die alte Marybeth gern gesagt und dazu ihr schepperndes Lachen angestimmt.
Susannah hatte das nie ernst genommen, aber nun, angesichts des Sheriffs, fiel ihr dieser Satz wieder ein.
Sie ritt nach Hause, setzte einen Kräutertee an und blätterte in den Aufzeichnungen ihres Vaters. Ein Säugling hatte einen Ausschlag, den sie nicht zuordnen konnte, und sie wollte dazu ein paar Dinge nachlesen.
Ein Geräusch vor der Tür ließ sie hochschrecken.
„Schnell, ich brauche den Arzt!“
Die Stimme klang verzweifelt und kam Susannah bekannt vor. Sie sah aus dem Fenster. Ein Mädchen rannte auf das Haus zu, barfuß und wild gestikulierend. Susannah trat aus dem Haus.
„Er ist nicht da, kann ich dir helfen?“
Das Mädchen kam näher und keuchte nur: „Anne!“
Susannah erkannte sie als Annes jüngere Schwester. Eilig ging sie zurück ins Haus, riss ihre Tasche vom Tisch und folgte dem Kind. Im Laufschritt machten sich beide auf den Weg zur einfachen Hütte, die nur ein paar Häuser entfernt lag.
Susannah stürmte
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