Xander, auf Liebe und Tod
zurück und
schmollte. »Aufgegebene Pläne.«
Giles gestattete sich ein schmales triumphierendes Lächeln.
Die Prinzessin hatte es irgendwie geschafft, sich wieder zu
beruhigen - was in erster Linie dem lieben Alexander zu verdanken war. Mit ihm
an ihrer Seite fühlte sie sich fast sicher.
Fast.
Trotzdem lebte sie in ständiger Furcht sowohl vor dem Hüter des
Siegels als auch vor dem Siegel selbst. Sie wusste, dass sie, solange Hoffnung
bestand, das Siegel wiederherzustellen, und solange der Hüter lebte, niemals
das normale Leben führen konnte, nach dem sie sich so verzweifelt sehnte.
Doch sie musste alles unternehmen, was in ihrer Macht stand, um
diesen Lebenstraum zu verwirklichen. Diese Welt war herrlich, so viel reicher
als ihre peruanische Heimat, und sie war Tausende von Meilen und fünf
Jahrhunderte von dieser entfernt. Ja, sie würde hier leben können.
Und Ampata wünschte sich, mit Xander hier zu leben.
»Okay«, sagte dieser gerade, während sie durch den Schulkorridor
schlenderten, »ich muss dir was sagen. So eine Art Geheimnis. Und es ist ein
bisschen gruselig.«
Die Prinzessin warf Xander einen besorgten Blick zu.
»Ich mag dich«, fuhr er fort. »Sehr.«
Die Prinzessin musste sich ein Lachen verbeißen. Das wäre
schließlich eine unangemessen unfreundliche Erwiderung. Aber nach allem, was
geschehen war, hatte sie eigentlich erwartet, dass er das Wort gruselig in
einem anderen Zusammenhang benutzen würde.
Er sprach weiter. »Und ich möchte, dass du mit mir zum Tanz
gehst.«
Sie lächelte zufrieden. Sie hatte den ganzen Tag lang gehofft,
dass er sie darum bitten würde. »Und was ist daran so gruselig?«
»Na ja, man weiß vorher nie, ob ein Mädchen ja sagt oder ob sie
dir ins Gesicht lacht und dir dein Herz herausreißt und unter ihren Absätzen
zermalmt.«
Die Prinzessin wusste aus früheren Gesprächen, dass Xander mit
seinen Annäherungsversuchen an andere Mädchen bisher wenig Glück gehabt hatte. Doch sie konnte das, zumal in diesem
Moment, unmöglich glauben.
»Dann hast du sehr viel Mut«, sagte sie mit gespielter
Ernsthaftigkeit. »Darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen?« Er nickte und
sie sagte: »Ich mag dich auch.«
»Wirklich?« Er hörte sich ehrlich überrascht an.
»Wirklich«, antwortete sie und versuchte so ermutigend wie irgend
möglich zu klingen.
»Das ist ja toll! Wirklich?«
Lachend wiederholte sie: »Wirklich.«
»Das ist toll«, sagte er noch einmal. »Und du bist keine
Gottesanbeterin, oder?«
Die Prinzessin blinzelte. Das war nicht ganz das, was sie erwartet
hatte.
»Sorry«, fügte er schnell hinzu, »das war jemand anders.«
Die Prinzessin buchte es ab unter die anderen obskuren
Anspielungen, von denen die Unterhaltungen mit Xander gespickt waren, und sah
ihre fernere Bestimmung deutlich vor sich. Verlegen sagte sie: »Ich komme
wieder.«
»Wohin gehst du?«
»Wohin du nicht mitkommen kannst«, erwiderte sie geheimnisvoll.
Damit öffnete sie die Tür zu den Waschräumen der Mädchen.
»Ich warte draußen«, sagte Xander.
Sie ging hinein und landete schließlich vor einem Spiegel, um ihr
Haar zu kämmen. Sie betrachtete ihr Spiegelbild und lächelte. Sie sah glücklich
aus. Sie sah zufrieden aus. Gut. Man sollte so aussehen, wie man sich fühlt.
Doch allmählich wurde sie immer blasser. Nein, dachte sie. Die
beiden Leben, die sie genommen hatte, hätten ausreichen müssen, um sie zu
erhalten. Sie blickte auf ihre Hände und bemerkte, dass die Haut weniger glatt
zu werden begann.
Nein! Das ist nicht fair! Sie wollte keine weiteren Leben mehr
nehmen, aber sie wollte auch nicht zu jener höllischen Existenz in dem
Sarkophag zurückkehren. Sie wollte leben!
Sie hob den Blick wieder zu ihrem Spiegelbild - und sah den Hüter
hinter sich stehen.
Sie wirbelte herum und sagte in einer uralten Sprache: »Ich flehe
dich an, töte mich nicht.«
Der Hüter erwiderte in derselben Sprache: »Ihr seid bereits tot.
Seit fünfhundert Jahren.«
»Aber es war nicht recht«, sagte sie flehend. »Ich war
unschuldig.«
»Die Menschen, die Ihr jetzt tötet, damit Ihr leben könnt, die sind
unschuldig.«
Die Prinzessin zuckte zusammen. »Bitte. Ich liebe.«
Ihre eigenen Worte überraschten sie, doch sie hatte sie kaum
ausgesprochen, da wusste sie, dass sie der Wahrheit entsprachen. Sie liebte
Alexander Harris. Ihr ganzes Leben lang war sie mit jener abgehobenen Ehrfurcht
behandelt worden, die religiösen Ikonen vorbehalten war. Sie war
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