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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Vorstellung sammelte sich sein ganzes Blut unten in den Beinen und ließ das Gehirn unversorgt. Jetzt konnte er kaum noch seine Arme fühlen, und als er durch einen Schleier aus schwarzen Flecken nach oben blickte, sah er, daß die Finger der schwächeren linken Hand ihren Halt verloren.
    Mit einem panikartigen Aufschrei zwang er neue Kraft in die Hände. Seine Finger krampften sich zuckend zusammen.
    Und dann rissen die Knorpel.
    Wie ein Vorhang, der entlang der Nähte aufgetrennt wurde. Aus dem Körperinneren des Wals entströmte heißes, fauliges Gas und nebelte ihn ein. Mit tränenden Augen schnappte Rees nach Luft. Die gerissenen Knorpel hingen plötzlich durch, und bald hing ein großer Klumpen aus dem Bauch des Wals heraus. Rees pendelte unter Schmerzen hin und her, konnte sich aber festhalten.
    Jetzt kräuselte sich die Bauchpartie des Wals in dreißig Zentimeter hohen Wellen. Das Nervensystem des Tieres reagierte wohl nicht besonders schnell, aber dieser Bruch verursachte ihm sicher große Schmerzen. Dann erreichte die Welle die Bruchstelle. Die baumelnde Knorpelmasse ruckte auf und ab, einmal, zweimal, und noch öfter. Rees fühlte sich, als ob seine Schultern ausgerenkt und Nadeln in die Gelenke getrieben würden.
    Wieder drohten seine Finger den Halt zu verlieren.
    Der Riß im Fleisch des Tieres klaffte wie eine schmale Tür über ihm.
    Mit zuckenden Schultern zog sich Rees so weit hoch, bis sein Kinn auf gleicher Höhe mit den Fäusten war. Er zog seine Unke Hand weg…
    …und wäre fast abgestürzt. Doch die rechte Hand klammerte sich noch immer um die Knorpel, und nun packte die Linke den Rand der Wunde. Er nahm die rechte Hand weg; die schwächere, fast gefühllose Linke schabte über schmierige Knorpel, doch nun hing er mit beiden Händen an der Wundöffnung.
    In dieser Position verhielt er für einige Sekunden. Seine Armmuskeln schmerzten höllisch, und die Finger wollten schon wieder abrutschen.
    Da spannte er die Rückenmuskeln an, zog die Füße vor das Gesicht, schwang sie über Kopfhöhe und durch die Öffnung. Dann schob er sich in einer fließenden Bewegung mit Beinen und Rücken über die Innenwand der Knorpel in das Innere des Wals. Schließlich konnte er mit den Händen loslassen. Mit letzter Kraft rollte er sich von der Öffnung weg.
    Schwer atmend lag er auf dem Rücken, die gespreizten Beine an der Magenwandung des Wals. Unter ihm, gefiltert durch das transparente Fleisch, rotierten die Sterne, und weit oberhalb, wie große Maschinen in einer schwach beleuchteten Halle, befanden sich die Organe des Wals.
    Seine Lunge rasselte, und Arme und Hände brannten. Mit der Dunkelheit, die über ihn kam, verschwand auch der Schmerz.

    Rees erwachte mit einem brennenden Durst.
    Er sah nach oben in das höhlenartige Innere des Wals. Das Licht schien jetzt trüber: vielleicht flog der Wal aus irgendwelchen Gründen tiefer in den Nebel hinein.
    Die heiße und feuchte Luft roch faulig und stank irgendwie nach Schweiß. Trotz leichter Schmerzen in der Brust konnte Rees jedoch normal atmen. Vorsichtig stützte er sich auf die Ellbogen. Die Muskeln seiner Arme schmerzten noch immer, und die Fingernägel waren an beiden Händen eingerissen, doch die Fingerknochen schienen unversehrt und funktionsfähig.
    Vorsichtig stand er auf.
    Noch immer drehten sich die Sterne um den Wal, doch wenn er den Blick abwandte, wurde ihm nicht schwindlig. Er vermutete, daß er sich in einem konstanten Gravitationsfeld von ungefähr zwei Gravos befand. Als Rees nach unten blickte, sah er, daß seine nackten Füße mehrere Zentimeter tief in die zähe Knorpelmasse eingesunken waren. Nach einigen Gehversuchen konnte er fast problemlos laufen, vorausgesetzt er vermied es, auf der glatten Oberfläche auszurutschen.
    Wieder machte sich der Durst brennend in seinem Hals bemerkbar. Er meinte fast zu spüren, wie sein Gaumen sich vor Trockenheit verschloß.
    Er ging zurück zu der Öffnung, die er in die Knorpelschicht gerissen hatte. Mittlerweile hatte sich die Wunde zu einem so engen Spalt verkleinert, daß er sich gerade noch hindurchzwängen konnte. Er hätte nicht sagen können, wie lange er bewußtlos gewesen war, doch mußte der Heilungsprozeß für diesen Fortschritt mindestens eine Schicht benötigt haben. Er kniete sich auf die Knorpelmasse, die einen warmen, feuchten Teppich bildete, und schob sein Gesicht dicht an die Wunde heran. Eine Brise brachte ihm willkommene frische Luft. Rees sah den baumelnden Lappen aus

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