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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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von der Knochenwelt ausging. Während Rees zuvor den Eindruck hatte, an einer Decke zu hängen, meinte er nun, an eine weiche Wand gedrückt zu werden.
    Neugierig untersuchte er die Substanz vor seinem Gesicht. Seine Finger waren noch immer in die Knorpelmasse unter dem fünfzehn Zentimeter starken Fleischmantel des Wals gekrallt. Das Fleisch selbst hatte keine Epidermis und wies eine leichte Rosafärbung auf. Die Masse war kaum fester als Schaumstoff, und es gab keine Anzeichen einer Durchblutung, obwohl Rees bemerkte, daß seine Arme und Beine auf einmal mit einer klebrigen Substanz bedeckt waren. Er erinnerte sich daran, daß die Boneys dieses Tier wegen seines Fleisches gejagt hatten, und impulsiv drückte er sein Gesicht gegen das Fleisch und riß einen Mundvoll heraus. Das Zeug schien in seinem Mund zu zergehen und verdichtete sich von einem schaumigen Brocken zu einer kleinen festen Tablette. Der Geschmack war intensiv und etwas bitter. Rees zerkaute die Materie und schluckte sie ohne Probleme hinunter. Das Zeug schien sogar seinen trockenen Hals zu beruhigen.
    Plötzlich überkam ihn Heißhunger; er vergrub sein Gesicht im Fleisch des Wals und riß mit seinen Zähnen ganze Brocken heraus.
    Nach einigen Minuten hatte er vielleicht auf einem zehntel Quadratmeter der Oberfläche des Tieres das Fleisch abgenagt und die Knorpel freigelegt. Jetzt fühlte er sich gesättigt. Der Wal konnte ihm also für eine ganze Weile als Proviantspeicher dienen.
    Er sah sich um. Wolken und Sterne erstreckten sich rings um ihn, ein riesiger, öder Raum ohne Wände und Boden. Er trieb irgendwo in dem rötlichen Himmel und hatte vermutlich keine Chance mehr, irgendwann wieder einem anderen Menschen zu begegnen. Diese Vorstellung ängstigte ihn jedoch nicht; vielmehr kam nur eine leise Sehnsucht in ihm auf. Zumindest war er der Erniedrigung durch die Boneys entkommen. Wenn er schon sterben mußte, dann wenigstens auf diese Art, mit offenen Augen für neue Wunder.
    Er nahm eine bequemere Position auf dem Körper des Wals ein. Es bedurfte fast keiner Anstrengung, diese Position zu halten, und die gleichförmige Bewegung, das Schlagen der Flossen wirkten überraschend beruhigend. Es war gut möglich, hier einige Zeit zu überleben, bis er vor Entkräftung den Halt verlor und abtrieb…
    Seine Arme begannen zu schmerzen. Vorsichtig veränderte er, eine Hand nach der anderen, die Position seiner Finger. Doch bald breitete sich der Schmerz auch über Rücken und Schultern aus.
    War es möglich, daß er so schnell müde wurde? Der Aufwand, sich hier unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit festzuhalten, war doch minimal. Oder?
    Er sah über die Schulter zurück.
    Die Welt drehte sich um ihn. Die Sterne und Wolken vollführten wirbelnde Rotationen um den Wal, und wieder klammerte er sich an eine Decke, von der er jeden Moment hinabfallen konnte…
    Er verlor fast den Halt. Rees schloß die Augen und grub seine Finger noch tiefer in die Knorpelmasse. Er hätte natürlich damit rechnen müssen. Der Wal hatte Rotationssymmetrie und mußte sich deshalb drehen. Er mußte das Drehmoment seiner Flossen ausgleichen, und nur durch die Drehung wurde er auf seiner Reise durch die Luft stabilisiert. Es war eine ganz einfache Erklärung…
    Wind peitschte über Rees’ Haar und drückte seinen Kopf nach hinten. Die Umdrehungsgeschwindigkeit erhöhte sich, und er spürte, wie der Zug an seinen Fingern stärker wurde. Wenn er nicht aufhörte, die verdammte Situation zu analysieren, und endlich etwas unternahm, würde er in wenigen Minuten abgeworfen werden.
    Jetzt verloren seine Füße ihren ohnehin nicht festen Halt. Sein Körper schwang vom Wal weg, so daß er nur noch mit den Händen an dem Tier hing. Die Knorpel zwischen seinen verkrampften Fingern verdrehten sich elastisch, und mit jeder Schwingung seines Körpers strömten Schmerzen durch Bizeps und Ellbogen. Die Zentrifugalkraft stieg kontinuierlich an, von einem über anderthalb auf zwei Gravos…
    Vielleicht konnte er sich zu einem der stationären ›Stäbe‹ hinarbeiten, oder zu der Verbindung zwischen Rumpf und Flossen. Er spähte seitwärts zum Körperende des Wals und konnte den Knorpelstrang verschwommen durch die Fleischmassen erkennen.
    Es hätten ebensogut Welten dazwischen liegen können. Alles, was er tun konnte, war, sich hier festzuklammern.
    Die Drehung beschleunigte sich weiter. Sterne zogen sich strichförmig unter ihm hin, und er spürte Benommenheit aufkommen. In seiner

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