Xeelee 1: Das Floss
Lehrling.«
Jaen ging an ihre Arbeit. Pallis genoß es im stillen, mit ihr zu arbeiten. Sie war eine gute Fahrensfrau, schnell und leistungsfähig; irgendwie wußte sie immer schon, was zu tun war, ohne daß er es ihr erst sagen mußte und ohne daß sie ihn bei seiner eigenen verdammten Arbeit behinderte…
Unter dem Blätterdach entwickelte sich ein Rauchvorhang. Der Baum rotierte schneller und eilte dem Gürtel entgegen, wobei die Luft durch seine Blätter rauschte und klare, heimatliche Gerüche in Pallis’ Nase spülte. Die Patrouillenfahrzeuge hoben sich als unbewegliche Schatten gegen den roten Himmel ab. Pallis stützte sich mit den Beinen am Stumpf seines Baumes ab; das massive Holz vermittelte ihm einen festen Halt. Dann legte er die zu einem Trichter geformten Hände an den Mund. »Mineure!«
Gesichter erschienen über dem Rand jedes Fahrzeuges. Mit zusammengekniffenen Augen konnte Pallis das in Bereitschaft gehaltene Waffenarsenal erkennen: Speere, Messer, Knüppel.
Er breitete die Hände weit aus. »Wir kommen in Frieden! Bei den Boneys, das müßt ihr doch sehen. Was glaubt ihr wohl, habe ich mitgebracht, eine Armee unter meinen Ästen versteckt?«
Ein Bergmann rief herunter: »Verpiß dich nach Hause, Waldläufer, bevor du noch dran glauben mußt.«
Er spürte, wie allmählich Zorn sein narbiges Gesicht überzog. »Mein Name ist Pallis, und ich werde mich nirgendwohin verpissen. Ich habe Neuigkeiten, die jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf dem Gürtel betreffen. Und ihr werdet sie mich euch mitteilen lassen!«
Mißtrauisch kratzte der Bergmann sich am Kopf. »Welche Neuigkeiten?«
»Laßt uns durch, und ich sage es euch. Sie kommen von einem der Euren. Rees…«
Nachdem die Mineure miteinander konferiert hatten, wandte sich der Sprecher wieder an Pallis. »Du lügst. Rees ist tot.«
Pallis lachte. »Nein, ist er nicht. Und um seine Geschichte geht es bei dem, was ich euch zu sagen habe…«
Mit erschreckender Schnelligkeit kurvte ein Speer über den Rand der Flugplatte. Er rief Jaen eine kurze Warnung zu; der Speer glitt durch die Blätter und verschwand in den Tiefen des Nebels.
Mit den Händen in den Hüften stand Pallis da und sah zu den Mineuren hoch.
»Ihr seid wirklich lausige Zuhörer!«
»Waldläufer, wir verhungern hier wegen der Gier des Floßes. Und gute Männer sterben bei dem Versuch, das zu ändern…«
»Laßt sie sterben! Niemand hat sie aufgefordert, das Floß anzugreifen!« brüllte Jaen.
»Sei still, Jaen«, zischte Pallis.
Sie schnaubte verächtlich. »Sieh, Pilot, diese Bastarde sind bewaffnet, und wir nicht. Sie haben offensichtlich bei keinem unserer Worte zugehört. Und wenn wir versuchen, näher heranzukommen, werden sie den Baum wahrscheinlich mit ihren Düsen abfackeln. Es hat keinen Sinn, Selbstmord zu begehen, nicht wahr? Wir müssen eben einen anderen Weg finden.«
Er kratzte sich am Bart. »Aber es gibt keinen anderen Weg. Wir müssen mit ihnen reden.« Und ohne über seine Handlungsweise nachzudenken, holte er mit einem Bein aus und trat den nächsten Rauchkessel um. Der qualmende Zunder rieselte heraus, und bald züngelten winzige Flämmchen an den Blättern.
Für vielleicht fünf Sekunden stand Jaen bewegungslos da; dann explodierte sie in wirbelnder Bewegung. »Pallis, was, zum Teufel…, ich hole die Decken…«
Mit seiner kräftigen Hand umklammerte er ihren Arm. »Nein, Jaen. Laß es brennen.«
Mit blankem Unverständnis starrte sie ihm ins Gesicht.
Die Flammen verbreiteten sich wie Lebewesen. Die sichtlich verblüfften Mineure starrten herab.
Pallis mußte sich die Lippen lecken, bevor er sprechen konnte. »Das Laub ist sehr trocken, wie du siehst. Das ist auf das Sterben des Nebels zurückzuführen. Die Luftfeuchtigkeit ist zu gering, und das Frequenzspektrum des Sternenlichts hat sich mittlerweile so verändert, daß in den Blättern keine Photosynthese mehr stattfinden kann…«
»Pallis«, verlangte Jaen mit Nachdruck, »hör mit dem Geschwätz auf!«
»…Ja. Ich hoffe darauf, daß sie uns bergen. Es ist unsere einzige Chance.« Er zwang sich dazu, das verkohlte und verbogene Holz und die im Luftzug zitternden, versengten Blätter anzusehen.
Jaen berührte seine narbige Wange; als sie ihre Finger wegnahm, waren die Spitzen feucht. »Das hier scheint dich wirklich mitzunehmen.«
Er lachte schmerzlich. »Jaen, ich brauche meine ganze Willenskraft, um nicht die Decken zu holen.« Plötzlich wurde seine Traurigkeit von Zorn
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