Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
nicht wahr? Aber ihr habt vor dem Tod gar keine Angst. Der Tod ist einfach… irrelevant.«
Jaar antwortete nicht.
Poole machte einen Schritt zurück. »Ihr Leute macht mir angst«, sagte er offen heraus. »Und ihr macht mich wütend. Ihr reißt Stonehenge aus dem Boden. Stonehenge, um Himmels willen! Dann besitzt ihr die Frechheit, aus der Zukunft zurückzukehren und die Zerstörung eines Planeten vorzubereiten… den Gravitationskollaps des wertvollsten Planeten des Sonnensystems. Jaar, ich fürchte mich nicht vor den Konsequenzen meiner eigenen Handlungen. Schließlich bin ich derjenige gewesen, der die Zeitmaschine konstruiert hatte, die euch hierher gebracht hat. Aber ich verstehe nicht, wie ihr die Dreistigkeit aufbringen könnt, dies zu tun, Jaar – so viel vom gemeinsamen Erbe der Menschheit zu verbrauchen und zu zerstören.«
»Michael, Sie brauchen sich deswegen nicht aufzuregen. Ich bin mir sicher, daß Shira Ihnen das auch gesagt hat. Am Ende wird nichts von alledem« – er deutete auf die Höhle – »und niemand von uns – wichtig sein. Alles wird gut werden. Sie wissen, daß wir Ihnen nicht mehr sagen werden als das, was Sie bereits wissen. Aber Sie brauchen sich deswegen nicht zu grämen, Michael. Was wir tun, ist zu Nutz und Fromm der ganzen Menschheit – in der Zukunft und in der Vergangenheit…«
Poole stieß sein Gesicht fast in das des jungen Mannes. »Wie können Sie es wagen, solche Forderungen zu stellen und derartige Pläne zu entwerfen?« zischte er. »Verdammt, Mann, Sie können doch nicht älter als fünfundzwanzig Jahre sein. Die Qax sind eine schreckliche Plage für die Menschheit. Ich habe genug gesehen und gehört, um davon überzeugt zu sein. Aber ich glaube, daß euer Projekt die Bedrohung durch einen einfachen Unterdrücker wie die Qax noch weit in den Schatten stellt. Jaar, ich glaube, daß Sie die Geschichte ändern wollen. Aber Sie sind kein Gott! Ich halte euch für gefährlicher als die Qax.«
Jaar zuckte kurz vor Pooles Zorn zurück, gewann aber bald wieder seine unerschütterliche Sicherheit zurück.
Poole verbrachte noch einige Zeit bei dem Jungen in der Höhle, argumentierte, forderte, drohte. Aber sein weiterer Erkenntnisgewinn belief sich auf null.
Schließlich gestattete er Jaar, ihn wieder an die äußere Oberfläche zu bringen. Auf dem Weg nach oben versuchte Poole, die Fahrstuhlkontrollen zu bedienen, wie er es zuvor bei dem Freund gesehen hatte. Jaar hielt ihn nicht davon ab. Natürlich reagierte die Steuerung nicht.
Als sie wieder auf der kleinen Prärie standen, stiefelte Poole zu seinem Schiff zurück, voller Zorn und Angst.
10
»MICHAEL.« HARRY POOLES STIMME war leise, aber energisch. »Michael, steh auf! Es geht los.«
Zögernd erwachte Michael Poole aus dem Schlaf. Er schob die dünne Decke zurück, rollte sich auf den Rücken und rieb sich die Augen. Er sah, daß Berg neben ihm bereits wach war und sich aufsetzte. Poole stützte sich auf die Ellbogen und zuckte zusammen, als ein Schmerz durch den Steiß fuhr: In Shiras kleiner Hütte war es recht ruhig, und die Luft des Erd-Schiffes war unbewegt und angenehm warm; aber trotz Miriams Versicherungen, daß die harte Oberfläche das beste wäre, worauf er überhaupt liegen könne, bezweifelte er, daß er sich jemals daran gewöhnen konnte, auf einer mit höchstens zwei Zentimetern Stroh gepolsterten Pritsche über einem Boden aus Xeelee-Werkstoff zu schlafen.
Miriam Berg zog sich schon die für die Freunde typische einteilige Fliegerkombi über. »Was geht los, Harry?«
Die durch die Diffraktion verzerrte Virtuellprojektion seines Vaters schwebte über Poole. »Das Portal hat seine Emission von hochenergetischen Teilchen verstärkt. Etwas ist im Anmarsch, Michael. Eine Invasion aus der Zukunft – wir müssen hier verschwinden.«
Noch während Poole sich in Kombi und Stiefel zwängte, stolperte er auf den offenen Eingang des Zeltes zu. Er blinzelte in das Licht von Jupiter und drehte das Gesicht gen Himmel. Dort hing das Interface-Portal, grazil und schön, alles andere als eine Drohung verheißend.
»Splines«, keuchte Berg. »Sie haben Splines durchgeschickt. Die lebenden Schiffe, die die Freunde beschrieben haben, die Kriegsschiffe der Qax, der Besatzung, sind unterwegs, um die Erde zu zerstören. Genauso, wie wir es erwartet haben.«
Ein Unterton schwang in Bergs Stimme mit, den Poole noch nie zuvor gehört hatte, eine Brüchigkeit, die in ihm den atavistischen Drang auslöste, sie in
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