Xeelee 3: Ring
von Sternen bestand. Sterne der Population I, wie die Sonne, waren in den wasserstoffreichen Spiralarmen entstanden, weit entfernt vom Zentrum. Einige davon – wie die blauen Superriesen – waren mehrere Hundertmal so groß gewesen wie die Sonne und hatten ihre ganze Energie in einer kurzen, irrsinnig verschwenderischen Jugend verpulvert. Sterne der Population I pflegten irgendwann zu explodieren und reicherten dann das interstellare Medium – und spätere Sternengenerationen – mit den komplexen Produkten ihrer Kernsynthese an.
Im Gegensatz hierzu waren Sterne der Population II in solchen Regionen entstanden, in denen Wasserstoff als Brennstoff knapp war: In den alten Sektoren dicht am Kern oder in den Ballungen außerhalb der Hauptscheibe. Die Sterne der Klasse II stimmten von der Größe her eher miteinander überein und waren – in den Anfängen der menschlichen Astronomie – bereits alt gewesen und durch dichte Bestände von Roten Riesen charakterisiert.
»Schau dir diese Scheibe an«, forderte Louise. »Ich glaube nicht, daß die verdammten Vögel sich intensiv mit den trüben, stabilen Sternen der Population II befassen mußten; sie waren ja ohnehin schon halb tot. Aber sieh – oh, sieh dir nur die Spiralarme an…«
Seilspinnerin sah, wie ausgefasert die Spiralen waren, durchsetzt von den Blasen aus gelbrotem Licht, die sich auf den Pfaden aus Staub ausbreiteten.
»Diese Blasen sind die Überreste von Supernovae«, sagte Louise bitter. »Seilspinnerin, nicht jeder Stern hat so friedlich auf die Manipulationen der Photino-Vögel reagiert wie unsere arme alte Sonne. Viele der spektakuläreren und schöneren Sterne der Population I sind schlicht explodiert und wurden auseinandergerissen… Wahrscheinlich haben die Vögel ganze Kettenreaktionen von Supernovae ausgelöst, wobei die Trümmer eines Sterns dann den nächsten destabilisierten.«
Seilspinnerin schaute zu dem Schutt der Scheibe hoch, zu den schwindsüchtigen Spiralarmen.
… Wir stehen bereits vierzigtausend Lichtjahre unterhalb der Scheibe, Seilspinnerin, meldete sich ihr Begleiter. Das Licht, das du jetzt siehst, hatte die Sterne schon vor vierzig Jahrtausenden verlassen… Bedenke das. Vierzigtausend Jahre vor meiner Geburt bibberten die Menschen noch an den Rändern von Gletschern und fertigten Messer aus Steinbrocken. Und je weiter wir reisen, mit jeder Sekunde, wird das Licht älter: Seilspinnerin, du führst uns durch einen Hagel aus altem Licht…
Seilspinnerin lachte. »Du hättest Dichter werden sollen.«
»Was?«
»Sag mir, was jetzt kommt, Louise.«
»In Ordnung. Seilspinnerin, weißt du, was ein globularer Cluster ist?«
Seilspinnerin runzelte die Stirn. »Ich glaube schon.« Sie schloß die Augen. »Eine stabile Kugel aus Sternen – vielleicht hunderttausend an der Zahl –, die sich auf einem Orbit um die Hauptscheibe befinden, im galaktischen Halo.«
»Richtig«, lobte Louise. »Es sind Sterne der Population II. Und ein besonderer Cluster, genannt Omega Centauri, war eine der hellsten Sternenballungen, die man von der alten Erde aus sehen konnte.«
Seilspinnerin ließ das auf sich wirken. »Omega Centauri. Der Name besagt, daß der Cluster sich in der Sichtlinie der Centaurus-Konstellation befindet.«
»Richtig.«
»Du meinst…«
»Wir nehmen direkt Kurs darauf. Halte die Augen fest geschlossen, Seilspinnerin.«
Seilspinnerin drehte sich um und schaute nach vorne.
Vor dem fragilen Käfig blähten sich riesige Sterne vor ihr auf und blendeten sie mit ihrem gewaltigen Schweigen.
24
LIESERL UND MILPITAS standen aufrecht auf den Null-Gravo-Gleitern und tauchten in den tiefen Laderaum an der Basis der Lebenskuppel der Northern ein. Über Lieserl erstreckte sich das Wartungsschott in der Grundfläche von Deck Fünfzehn, ein unglaubliches Gewirr aus Röhren, Kabeln und Baumwurzeln.
Aus dem Augenwinkel betrachtete Lieserl Milpitas neugierig. Er schaute mit sichtlicher Furcht in den Abgrund unter seinen Füßen. Milpitas war seit tausend Jahren ein Raumfahrer gewesen, aber offensichtlich war er auch ein Kind der Schwerkraft. Er litt sichtlich in dieser Null-G-Umgebung, wobei seine Instinkte nichts von der Tatsache wußten, daß er selbst im Falle eines Totalausfalls seines Gleiters einfach in der Luft treiben würde, absolut sicher.
Unter der dicken Schicht aus feuchter, leerer Luft, in die sie hinabstieg, war die Basis der Lebenskuppel der Northern auf Transparenz geschaltet worden. Die Basis erschien Lieserl wie
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