Xeelee 3: Ring
trocken. »Obwohl ich mich frage, ob es uns auch weiterhilft.«
Lieserl sah zu der dreihundert Meter über ihr hängenden INST-Ebene auf, mit ihrem Gewirr aus Baumwurzeln und Rohrleitungen. »Schauen Sie sich als Kontrast zu dem Nightfighter nur mal dieses primitive Gerödel dort oben an… Teufel, Milpitas, die Northern ist ein Raumschiff, das für eine Lebensdauer von eintausend Jahren konzipiert wurde. Die Ausrüstung macht den Eindruck, als ob sie zum Teil noch aus der Antike stammte.« Sie seufzte. »Sie müssen wissen, daß ich in den Jahren nach dem Start der Northern einige Blicke auf die menschliche Technologie geworfen habe. Offensichtlich sind wir mit der Zeit besser geworden. Aber bisher haben wir noch immer – immer – unsere Klempnerinstallationen mitgeschleppt. Ich glaube nicht, daß die Menschen in ihrer langen Geschichte sich jemals der schlichten Perfektion dieses Xeelee-Artefaktes angenähert haben, dieses Nightfighters.«
Milpitas fiel weiter auf die transparente Grundfläche der Basis zu und schaute angestrengt hindurch. »Vielleicht haben Sie recht. Aber soll das nun heißen, daß wir einen Kotau machen und die Xeelee mit all ihren Errungenschaften anbeten müssen?«
»Nein«, widersprach sie kühl. »Aber es impliziert in der Tat, daß die Xeelee intelligenter sind, als wir es jemals waren oder hätten werden können.«
Sie sah, wie er die Augenbrauen um einige Millimeter hochzog; ansonsten reagierte er nicht.
Nun befanden sie sich bereits dicht am Rand der Basis, in der Nähe der transparenten, gekrümmten Wand des Frachtraums. Hier schmiegten sich die breiten Schultern des ’fighters an die Unterseite der Basis; breite Bänder, die das Xeelee-Schiff an die Lebenskuppel fesselten, schlängelten sich von dort um die Kurven des ’fighters und verschwanden außer Sicht.
Milpitas beugte sich über die Steuerung seines Gleiters und betrachtete die Haltebänder. Belustigt stellte Lieserl fest, daß er jetzt überhaupt nicht mehr ängstlich wirkte, wo er sich nur noch wenige Meter über der Basis der Lebenskuppel befand: Dicht über dem Boden seines festgefügten, gravitationsdominierten mentalen Universums.
Sie driftete ruhig an den Konturen des Xeelee-Schiffes vorbei. Schultern – ja, das war eine passende Bezeichnung für diesen Teil des ’fighters, am Flügelansatz; hier, so dicht beim Schiff, hatte sie tatsächlich den Eindruck, auf den breiten, starken Schultern eines Giganten aus Xeelee-Werkstoff getragen zu werden.
Nachdem Milpitas seine Inspektion abgeschlossen hatte, richtete er sich wieder auf.
»Was sagen Sie nun zu diesem Stück Maschinenbau?« fragte sie.
»Fein«, erwiderte er, ohne aufzuschauen. »Das heißt, innerhalb der Toleranzgrenzen… Der Kriechfluß ist heute minimal.«
»Kriechfluß?«
Er musterte sie prüfend. »Vielleicht sind Ihnen die Probleme nicht bekannt, die wir bei der Koppelung der Lebenskuppel mit diesem Nightfighter zu bewältigen hatten. Lieserl, der Xeelee-Werkstoff weist praktisch keine Reibung auf, und er ist härter als jede uns bekannte materielle Substanz. Er ist sogar gegenüber exotischer Materie resistent… Wie Sie wissen, vermuten wir, daß bei seiner Gewinnung wahrscheinlich das Pauli-Prinzip verletzt worden ist…«
»Ich habe davon gehört.«
»Wir konnten also bei der Befestigung der Lebenskuppel nicht einfach einen Aufsatz auf den Nightfighter nageln. Genauso wenig hätten die bekannten Klebstoffe auf dem Werkstoff gehaftet. Deshalb haben wir einen lockeren Käfig um ihn herumgebaut.«
Unter der Kontrolle der Prozessoren der Northern hatten ’bots die Befestigungsbänder des Käfigs eingezogen und so die Lebenskuppel stetig auf den Nightfighter zugezogen.
»Also«, sagte der Planer, »wird der Nightfighter durch die Takelage aus Gurten eng an uns gefesselt, ohne daß er jedoch fest mit uns verbunden wäre. Aber das reicht ja offensichtlich auch aus, damit er die Lebenskuppel sicher durch den Hyperraum transportiert.«
»Und – der Kriechfluß?«
»Weil der Käfig nicht fest mit dem Nightfighter verbunden ist – und weil wir unterschiedlichen Belastungen unterliegen –, verschieben sich die Käfigbänder auf der Werkstoffoberfläche. Sie kriechen. Aber wir haben Nanobots dort draußen, die ständig damit beschäftigt sind, die Gurte neu zu justieren und die Belastungen auszugleichen.«
Lieserl nickte. »Das ist eine intelligente Lösung, Milpitas.«
Er verneigte sich spöttisch. »Vielleicht. Das geht jedoch nicht auf
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