Xeelee 3: Ring
Krieg gegen die Photino-Vögel führt, setzt er vielleicht Abschnitte kosmischer Strings als Waffen ein. Wäre zu überlegen. Und außerdem: Wer in diesem Universum wäre einer solchen Leistung fähig, wenn nicht die Xeelee selbst?
Teufel – Kriegsführung mit Fragmenten kosmischer Strings. Woher nehmen sie die Kühnheit, an solche Waffen auch nur zu denken?«
Louise betrachtete die skizzenhafte, farbenfrohe Darstellung des Universums unter der Kuppel. Plötzlich schienen diese Datenfetzen traurig, ihr Verständnis hoffnungslos begrenzt. Fanden die finalen Kriege um das Schicksal des Universums zwischen Xeelee und Photino-Vögeln vielleicht irgendwo in dieser riesigen Leere statt, in genau diesem Moment, während sie in ihrer Blindheit und Ignoranz nach oben starrte?
»Mach weiter mit deiner Datensammlung, Mark«, sagte sie. »In ein paar Tagen werden wir diesen verdammten Leerraum hinter uns haben.«
»Wir sind wie Ratten, die den Randbezirk eines großen Kriegsschauplatzes kreuzen«, sagte Mark, wobei sein großes Gesicht ausdruckslos war. »Wir können ja kaum die optischen Eindrücke um uns herum verstehen. Und wir nehmen Kurs auf das finale Schlachtfeld…«
Zwischen den Decks schwebend, inmitten einer Wolke aus driftenden Hühnern, liebten Mark und Lieserl sich.
Danach legte Lieserl den Kopf auf Marks freien Oberkörper. Seine Haut unter ihrer Wange war rauh, mit kurzen, dichtgelockten dunklen Haaren bedeckt und schweißnaß – sie roch den Schweiß, schmeckte das salzige Aroma. Sie spürte einen angenehmen, feuchten Schmerz in den Schenkeln.
»Ich bin noch immer ganz außer Atem. Vielleicht bin ich schon zu alt dafür«, sagte sie.
Mark fuhr ihr durchs Haar. »Dann mach dich doch einfach jünger.«
»Nein, ich möchte nichts ändern. Lassen wir es so, wie es ist, Mark; lassen wir es real bleiben.«
»Natürlich.«
Sie schwieg eine Weile. Dann, eigentlich gegen ihren Willen, ergänzte sie: »Und es ist verdammt real, weißt du. Eine großartige Illusion.«
Sie spürte, wie er lächelte.
»Habe ich dir doch gesagt. Ich habe viel Zeit investiert, um es richtig hinzubekommen«, meinte er. »Das und den Kaffee.«
Sie lachte und schob sich von ihm weg; ihre Haut löste sich mit einem leisen, feucht schmatzenden Laut von der seinen. »Ich frage mich, ob uns jemand beobachtet hat.«
Mark streckte sich; die flatternden und gackernden Hühner wichen seinen Armen unbeholfen in der Luft aus. Er schaute sich um. »Ich sehe niemanden. Und selbst wenn jemand zugesehen hätte, würde es dir etwas ausmachen?«
»Natürlich nicht. Es hätte ihnen vielmehr noch gutgetan. Sie etwas mehr in Wallung gebracht.«
Lieserl drehte sich in der Luft, griff hinter ihren Rücken und ordnete ihr Haar. Die Decks drehten sich langsam um sie, eine riesige Kiste mit grün überzogenen Wänden. Nach der Auflassung der Tempel hatten sich die Menschen, die hier auf den Decks lebten – die Unterleute, wie Seilspinnerin sie noch immer nannte –, langsam mit der Schwerelosigkeit arrangiert. Am bemerkenswertesten war die Kultivierung aller verfügbaren Flächen auf den Decks; die Wände und Decken waren jetzt mit Wiesen, Wäldchen, Weizen- und anderen Feldern bewachsen. Natürlich wuchsen die Bäume etwas konfus, aber man bemühte sich, sie gerade wachsen zu lassen. Und, ohne die Fußabdrücke von Spaziergängern, begann das Gras in den Parks und anderen Bereichen zu wuchern.
Eine Menschenansammlung hatte sich unter dem einstigen Dach von Deck Zwei versammelt – der Unterseite von Deck Eins. Mark – oder vielmehr eine zweite Projektion von ihm – unterwies die zögernden, jung-alten Menschen im Lesen und Schreiben sowie im Gebrauch von Virtuellprojektoren. Und Lieserl wußte, daß auch andernorts die Infrastruktur der Decks modernisiert wurde, um den erzwungenen Gebrauch von Piktogrammen abzuschaffen.
Diese Initiativen erfreuten Lieserl. Sie erinnerte sich an die Welt ihrer kurzen Kindheit, die voller Sonnenlicht und Daten und Virtuellprojektionen und Leben gewesen war: Vielleicht die an Informationen reichste Umwelt der Menschheitsgeschichte. Der Kontrast zu dem verkümmerten, datenverarmten Ambiente der Decks war gravierend.
An einer Stelle, dicht an der Oberfläche, sah sie Milpitas und Morrow gemeinschaftlich werkeln. Die beiden alten Männer bauten eine Wasserkugel, die von einem Rahmen aus Holz und Schilf zusammengehalten wurde: Ein Null-Gravo-Wassergarten, wie Morrow es genannt hatte. Lieserl erinnerte sich an sein
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