Xeelee 4: Flux
mehr im Zentrum des Gitterrohrrahmens. Doch sie waren durch etwas anderes ersetzt worden – ein Artefakt, einen plumpen, drei Mannhöhen hohen Holzzylinder. Klarholzfenster waren in die Wand des Zylinders eingelassen, und er wurde von Bändern aus einem matt glänzenden Material umspannt.
Eine Luke in der Oberseite des Zylinders wurde aufgestoßen. Ein Mann – nur ein Mann – steckte den Kopf heraus; das Gesicht wurde von einem Rauschebart verziert.
Der Mann grinste Borz an. »Tut das gut«, sagte er. »Wir müssen hier drin mal lüften.« Er schaute in den Zylinder. »Ich wußte es doch, Dura, daß Karen Macrae uns wieder nach Hause bringen würde.«
»He.« Mit wenigen Stößen seiner stämmigen Beine hatte Borz zu dem Fremden aufgeschlossen. »He, du. Wo sind unsere Schweine?«
»Schweine?« Nachdem der Mann seine anfängliche Verwirrung überwunden hatte, ließ er den Blick durch das tote Interface schweifen. »Jetzt verstehe ich. Ihr hattet die Schweine in diesem Tor eingepfercht, nicht wahr?«
»Wo sind sie?«
Der Mann schaute amüsiert, aber auch mitfühlend. »Weit entfernt, befürchte ich.« Er sog die Luft in die Nüstern und ließ den Blick schweifen. »Sag mir, in welcher Richtung ist Süden?« fragte er mit offenem, zuversichtlichen Blick.
29
TOBA MIXXAX STECKTE DEN KOPF aus dem Luft-Wagen. Sein rundes Gesicht wirkte blaß in der Hitze. »Es hört sich so an, als ob Mur und Lea sich wieder einmal stritten.«
Tobas Wagen hatte sich unbemerkt genähert. Dura hatte gerade Seile an einem Abschnitt der zerstörten Haut befestigt. Nun schmerzten ihr die Arme, und sie stellte die Arbeit ein. Sogar hier, an der Oberfläche der expandierenden Trümmerwolke, welche die zerstörte Stadt markierte, herrschten eine unerträgliche Hitze und Lärm, zumal die Arbeit an sich schon schwer und gefährlich war. Nun vernahm sie auch die erhobenen Stimmen von Lea und Mur. Gereizt fragte sie sich, wie lange sie diese Leute noch an die Hand nehmen mußte, bis sie endlich lernten, sich wie Erwachsene zu benehmen.
Doch als sie Tobas vertrautes Gesicht mit dem undefinierbaren Ausdruck und den durch die Hitze geweiteten Poren musterte, legte dieses Gefühl sich so schnell, wie es aufgekommen war. Sie straffte sich und lächelte. »Schön, dich zu sehen, Farmer.«
Toba erwiderte das Lächeln kaum. »Du siehst müde aus, Dura… Wir sind wohl alle erschöpft. Davon abgesehen«, sagte er mit einem angespannten Unterton, »bin ich kein Farmer mehr.«
»Aber du wirst wieder einer sein«, sagte Dura und schwamm auf ihn zu. »Es tut mir leid, Toba.«
Sie streckte sich und ließ den Blick über den Himmel schweifen. Die Feldlinien waren wiederhergestellt und durchzogen in den vertrauten sechseckigen Konfigurationen den Himmel. Es war ein beruhigender Anblick: das regenerierte Magfeld hing als festes Netz aus Flußlinien in der Luft – man konnte sich ihm wieder anvertrauen.
Sie studierte die Linien und maß mit gespreizten Fingern die Abstände. Das langsame Pulsieren sagte ihr, daß es bald Zeit wäre für Horks Rad-Zeremonie im Herzen der zerstörten Stadt.
»Wie sieht es auf der Farm aus?« fragte sie. »Ist Ito…«
»Wir bauen sie zusammen wieder auf«, sagte Toba. »Allmählich. Ito hält sich tapfer. Sie spricht kaum.« Sein fast lächerlich kleiner Mund zuckte, als ob er versuchte, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. »Farr ist bei ihr. Und einige von Cris’ Surf-Freunden. Cris ist verschwunden. Aber ich glaube, daß Ito die Anwesenheit der jungen Leute als tröstlich empfindet.«
Dura berührte seinen Arm. »Schon gut. Du brauchst nichts zu sagen. Komm mit, vielleicht kannst du mir dabei helfen, den Streit zwischen Lea und Mur zu schlichten…«
Toba stieg aus dem Wagen.
Zusammen bahnten sie sich einen Weg durch die Stadt. Parz hatte sich in eine Wolke aus Haut-Fragmenten und verbogenen Kernstoff-Spanten verwandelt, die mit den Habseligkeiten der Menschen durchsetzt war. Im Mittelpunkt der Wolke sah sie das Exekutions-Rad, das sich im alten Markt befunden hatte. Sogar von diesem Fluchtpunkt – an der Peripherie der Wolke – sah Dura Kleidungsstücke, Spielzeug, Schriftrollen, Kokons und Küchenzubehör: das Inventar von tausend zerstörten Wohnungen. Die wenigen Abschnitte der Stadt, die den Störfall zunächst unbeschadet überstanden hatten, fielen nun – mehrere Wochen nach dem Abzug der Xeelee – in sich zusammen. Einem unbeteiligten Beobachter mußten die über die driftenden Trümmer
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