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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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kein Schnee aufs Kind fiel, und strich mit den Fingern über das warme Bündel. Sura schaute teilnahmslos und lächelte seltsam. Der Atem des Kinds ging schnell und unregelmäßig, und die winzigen Hände schienen zu Eis erstarrt. »Sura, du musst das Kind ins Tipi bringen und gut zudecken. Ich befürchte, die Gliedmaßen sind erfroren…«
    »Sie braucht frische Luft«, sagte Sura mit schriller Stimme. »Es ist so stickig im Tipi.«
    Erwal schaute Sura in die Augen. Ihre Haut war glatt, doch unter den Augen hatte sie dunkle Ringe. Sura war fast selbst noch ein Kind. »Sura«, sagte Erwal eindringlich, »du bist nicht ganz bei Trost. Das Kind erfriert hier draußen.«
    Das Lächeln verschwand. Trotzig schob Sura Erwals Hände weg und tätschelte das Baby. »Es wird ihr schon nichts passieren.« Sie umschloss eine winzige Hand und nibbelte sie.
    »Sura, sei doch vernünftig. Ich bitte dich.«
    »Ich muss sie wärmen…«
    Ein leises Knacken ertönte, als ob eine dünne Eiskruste gebrochen sei.
    Das war ein Geräusch, das Erwal ihr Lebtag nicht mehr vergessen würde.
    Sura ließ den Kopf hängen; der Unterkiefer schien lose zu schlackern, und die Wangenmuskeln waren schlaff. Erwal verfolgte das Geschehen entsetzt und hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden; es war, als ob sie die ganze Szene mit Sura, dem Kind und dem Schneegestöber aus weiter Ferne betrachtete.
    Sura öffnete die Hand, mit der sie das Händchen des Kinds umschlossen hatte. Abgebrochene Finger lagen auf Suras schwieligem Handteller. Das Kind wimmerte und regte sich an der Mutterbrust. Sura riss die Hand zurück, und die gefrorenen Finger fielen in den Schnee. Sie wickelte sich in die Decke und rannte blindlings ins Schneetreiben.
    Erwal bückte sich und hob die winzigen Finger auf, die Bruchstücke der Handfläche und des Handgelenks.
    * * *
    Als sie ins Tipi zurückkehrte, war Damen aufgestanden. Er hatte sich in eine Decke gewickelt und hielt mit einer hölzernen Zange einen Topf Wasser übers Feuer. Er schnitt eine Grimasse, als bei Erwals Eintreten ein Schwall eisiger Luft ins Tipi wehte. Der Rauch des Feuers wurde verwirbelt, und weil er den direkten Weg zum Abzug nicht mehr fand, wurde das ganze Tipi verräuchert.
    Die mit Pelzen vermummte Erwal fühlte sich fast nicht mehr als Mensch, sondern wie ein großes Tier, das in diesen warmen Ort einbrach. Sie schälte sich aus den Pelzen, streifte die gefrorenen Leggins ab und kauerte sich ans Feuer; Damen legte den Arm um sie, bis das Zittern verflogen war. Als das Wasser kochte, machte Damen einen Aufguss aus Stückchen von Mummy-Baum-Rinde. Erwal nippte am dünnen dampfenden Tee.
    Dann öffnete sie die Hand.
    Damen nahm einen winzigen Finger. Er wurde aschfahl, als er den winzigen Fingernagel und die blutleere Bruchstelle sah. Er nahm Erwal die Fragmente aus der Hand und warf sie ins Feuer. »Wessen Kind?«
    »Borsts und Suras. Ich traf sie im Wäldchen. Ich muss zu ihr gehen, Damen.«
    »Soll ich mitkommen?«
    »Nein. Ich geh wohl besser allein. Du hältst das Tipi warm.« Sie trank den Tee aus. Es widerstrebte ihr zutiefst, sich schon wieder in die Pelze zu hüllen. »Damen, so geht das nicht weiter. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Ich befürchte, dass die Bäume sterben, und die Mummy-Kühe sind auch nicht unsterblich.«
    »Ich weiß, Liebes. Doch was können wir tun? Wir müssen durchhalten, bis die Sonne sich wieder erholt hat, und dann…«
    »Aber was, wenn sie sich nicht erholt? Seit der Kindheit deiner Großmutter ist sie immer schwächer geworden. Allel hat uns das selbst gesagt. Und nun -Damen, es ist erst Herbst, und es toben schon Blizzards. Wenn wir uns nicht vorsehen, sind die Tipis vielleicht eingeschneit, ehe der Winter überhaupt da ist.« Sie schauderte bei der Vorstellung kleiner Taschen aus Wärme im Schnee, in denen die Menschen allmählich auskühlten und erstickten.
    »Die Sonne wird sich erholen«, sagte Damen müde.
    »Aber wir müssen hier nicht auf den Tod warten. Teal hat gesagt…«
    »Nein.« Er schüttelte seinen Quadratschädel, wobei der graue Rauschebart über den Oberkörper strich.
    »Aber er hat gesagt, es gebe einen Ausweg«, insistierte sie. »Die Acht Kammern. Er hat sie gefunden und erforscht. Deine Großmutter hat ihm geglaubt.«
    »Allel war ein närrisches altes Weib.«
    »Und Teal ist dorthin zurückgekehrt. Er sagte, er würde eine Spur für uns legen. Vielleicht…«
    Er schlang beide Arme um sie. »Erwal, mein Bruder war verrückt. Er hat dich

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