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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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war und so heiß, dass man schon im Frühjahr die Pelze und Leggins abzulegen und wie ein Kind in einem riesigen Tipi umherzurennen vermochte.
    Oben auf dem Hügel versuchten orangefarbene Blumen, den Permafrost zu durchbrechen. Die Dörfler stellten sich im Kreis um die Blumen auf; ein paar falteten die Hände vor ihnen, und andere senkten den Kopf, so dass das’ Kinn auf dem Pelzmantel ruhte. Damen trat in die Mitte des Kreises. »Wir haben uns hier versammelt, um der Toten des Winters zu gedenken«, sagte er mit monotoner Stimme und leierte eine Namensliste herunter. »…Borst, Ehemann von Sura. Niedergestreckt von einer Flüssigkeit in der Lunge. Ein Mädchen, Tochter von Borst und Sura; die Kälte hat ihren Körper im Blizzard zerfressen…«
    Wie in Trance zählte Erwal die Namen. Zweiundzwanzig an der Zahl, die meisten davon Kinder. Sie ließ den Blick über die schweigende Gruppe schweifen; es waren bestimmt nicht mehr als hundert Seelen übrig. Sie wusste, dass der äußere Bereich des Dorfs bereits aufgegeben worden war, so dass ihre Heimstätten nun von stummen Tipi-Ruinen umgeben waren.
    Es gab kaum noch alte Leute, wie ihr plötzlich bewusst wurde. Sie und Damen zählten nun zu den Alten. Wer würde zuletzt gehen?, fragte sie sich. Ein Kind, das über den erstarrenden Leichen der Eltern weinte?
    In diesem Moment wurde ihr Entschluss geboren. Mit oder ohne Damen, sie musste diesen Ort verlassen.
    Damen war am Ende der Liste angelangt. Nach einer Gedenkminute löste die Gruppe sich auf und kehrte zu den Tipis zurück.
    * * *
    Erwal hatte fünfundzwanzig Erwachsene für ihren Plan gewonnen. Zusammen mit den Kindern würde die Gruppe aus achtunddreißig Personen bestehen.
    Sie versammelten sich am Rand des Dorfs. Die getrennten Familien und scheidenden Freunde fanden kaum ein Wort des Abschieds. Erwal richtete mit Suras Hilfe die Gurte um den Hals von Sand, der einzigen Mummy-Kuh, die sie mitnahmen. Sand trug einen großen Packen aus Pelzen, Decken und Kuh-Baum-Knospen. Die übrigen Expeditionsteilnehmer, die zusätzliche Kleidungsstücke am Körper trugen, schwiegen mit betrübtem Gesichtsausdruck.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Erwal drehte sich um. Damen hatte die mächtigen Arme verschränkt und schaute sie an. »Damen, versuch’s erst gar nicht.«
    Er runzelte die Stirn. »Stolz ist ein eigen Ding«, sagte er nachdenklich. »Ich müsste es eigentlich wissen. Ich bin stolz und starrköpfig. Stolz macht es einem schwer, einen Fehler einzugestehen, wenn man auch noch so fehlgeleitet ist…«
    Erwal lachte. »Ich soll meinen Stolz hinunterschlucken und meinen Fehler eingestehen, nicht wahr?«
    Er wirkte betroffen. »Erwal, du könntest dort draußen umkommen.«
    »Hier werden wir mit Sicherheit umkommen.« Sie berührte seinen Arm und kraulte die dichten schwarzen Haare, die dort sprossen. »Die Expedition braucht dich…«
    »Und ich brauche dich.«
    Es war, als ob die Sonne durch die Wolken gebrochen wäre. »Du hast dir den verdammt ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht, um mir das zu sagen«, sagte Erwal, wobei sie ein Zittern in der Stimme unterdrücken musste.
    »Es tut mir leid.«
    Sie musste sich zwingen, den Blick von ihm zu wenden. Es schmerzte sie zu sehr. »Wir müssen gehen.«
    »Wohin?«
    »Du weißt wohin. Nach Norden. Auf dem Weg, den Teal uns beschrieben hat. Es ist eine Reise von ein paar Tagen. Wir werden seinen Markierungen und Wegweisern zu den Acht Kammern folgen.«
    Er schnaubte. »Ihr gebt etwas auf das Geschwätz einer Mummy-Kuh und eines Irren?«
    »Damen, so darfst du nicht reden.« Sie musterte ihn und versuchte, die letzten Spuren der Wärme festzuhalten. »Ich weiß, was ich tue.«
    »Natürlich. Es tut mir leid, Erwal. Wir haben das alles schon besprochen, nicht wahr?«
    »Hundert Mal.« Sie lächelte.
    »…Ich wünsche dir alles Gute.«
    Sie umarmte ihn und spürte dabei sein kratziges Fellhemd an den bloßen Unterarmen. »Und ich dir, Liebster.«
    »Ich werde dich nicht wiedersehen.«
    »…Wenn ich finde, wonach ich suche, wird es mir vielleicht gelingen, zu dir zurückzukommen.«
    Er schob sie mit versteinertem Gesicht weg. »Natürlich wirst du das.«
    So schieden sie voneinander.
    Einen leichten Klaps aufs Hinterteil, und die Mummy-Kuh fiel in einen gemächlichen Trott, wobei die schweren Packtaschen eine Spur in den harten Boden hobelten. Erwal ging Arm in Arm mit Sura. Sie schaute zurück, bis das Dorf außer Sicht war; sie hatte das Gefühl, dass Damens

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