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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sechsmal so groß wie der Mond, von der Erde aus gesehen. Die Hälfte der Tagseite des Monds war von Lvov abgewandt und auf Sol gerichtet.
    Wie Luna umkreiste Charon den Mutterplaneten in gebundener Rotation. Nur dass im Gegensatz zur Erde auch Pluto Charon in gebundener Rotation umkreiste. Alle sechs Tage drehten die Welten sich umeinander und kehrten sich dabei ständig dieselbe Seite zu, als ob sie einen Tanz aufführten. Pluto-Charon war das einzige signifikante System, in dem beide Partner im Zustand der gebundenen Rotation sich befanden.
    Charon hatte eine pockennarbige Oberfläche. Lvov nutzte das Helmvisier als Restlichtverstärker. Die meisten Senken waren tief und regelmäßig.
    Sie sandte eine entsprechende Mitteilung an Cobh, die noch das Interface inspizierte.
    »Die Poole-Bautrupps haben Charon als ›Steinbruch‹ für die Errichtung des Wurmlochs genutzt«, sagte Cobh. »Charon besteht nur aus Fels und Wassereis. Die Gewinnung von Wassereis ist noch am einfachsten. Charon hat weder eine störende Atmosphäre noch eine Deckschicht aus Stickstoffeis über dem Wasser. Und die Schwerkraft ist auch geringer.«
    Die Erbauer des Wurmlochs waren in großen unausgereiften EFT-Schiffen hierher geflogen. Sie hatten Eis und Gestein aus Charon gebrochen und daraus Pyramiden aus exotischer Materie konstruiert. Die Pyramiden hatten als Interfaces gedient, als Terminals eines Wurmlochs. Eine Schnittstelle war im Orbit um Pluto stationiert und die andere vom EFT-Schiff zum Jupiter geschleppt worden, nachdem das Raumschiff noch Charon-Eis als Reaktionsmasse gebunkert hatte.
    Mit solchem Aufwand hatten Michael Poole und seine Leute das Sonnensystem erschlossen.
    »Sie haben auf Charon einen Saustall hinterlassen«, sagte Lvov.
    Fast sah sie Cobhs charakteristisches Achselzucken. Und wenn schon.
    Hier, im Punkt maximaler Gezeitenkräfte war Plutos Oberfläche geologisch komplex. Sie flog über Spalten und Grate; an manchen Stellen erweckte das Land den Eindruck, als ob es mit einem riesigen Hammer bearbeitet worden und aufgeplatzt wäre. Sie vermochte sich vorzustellen, dass hier eine überdurchschnittliche Vermischung von Material aus dem Planeteninnern mit dem Oberflächen-Eis vorlag.
    An vielen Stellen sah sie Ansammlungen der seltsamen Schneeflocken, die ihr zuvor schon aufgefallen waren. Vielleicht handelte es sich um einen speziellen Gefriereffekt, sagte sie sich. Sie stieg ab und erwog, Proben zu nehmen.
    Ein paar Meter über der Oberfläche stellte sie das Triebwerk des Scooters ab und ließ das Gefährt von der schwachen Pluto-Gravitation hinabziehen. Sie schlug leicht aufs Eis auf, ohne dass die Oberflächen-Strukturen durch die Wärmeeinwirkung auf einer Tiefe von über einem Meter zerstört worden wären.
    Sie trat vom Scooter herunter. Das Eis knirschte, und sie spürte, wie die Schichten unter ihr zusammengedrückt wurden, doch die rissige Oberfläche trug ihr Gewicht. Sie schaute zu Charon hinauf. Der rote Mond stand schwer und rund über ihr.
    Sie sah einen bogenförmigen Lichtreflex direkt über sich.
    Er huschte über sie hinweg und verschwand sofort wieder. Sie schloss die Augen und versuchte ihn vors geistige Auge zurückzuholen. Eine Linie, leicht gekrümmt wie ein Faden. Ein Netz. Aufgespannt zwischen Pluto und Charon.
    Sie schaute erneut zu Charon auf und schaltete den Restlichtverstärker auf maximale Leistung. Sie vermochte das Bild nicht zurückzuholen.
    Davon erzählte sie Cobh nichts.
    »Ich hatte übrigens Recht«, sagte Cobh gerade.
    »Womit denn?« Lvov versuchte sich zu konzentrieren.
    »In Bezug auf das, was ich während des Absturzes über die Wurmloch-Instabilität sagte. Es hat eine Alcubierre-Welle erzeugt.«
    »Was ist eine Alcubierre-Welle?«
    »Die Zone negativer Energie des Interface hatte sich – nur für einen Moment – um die Pyramide ausgedehnt. Daraufhin hat die negative Energie einen Abschnitt der Raumzeit verzerrt. Den Abschnitt, der den Gleiter und uns enthielt.«
    Auf einer Seite des Gleiters, so sagte Cobh, hätte die Raumzeit sich zusammengezogen. Wie das Modell eines Schwarzen Lochs. Auf der anderen Seite hätte sie sich ausgedehnt – wie eine Wiederholung des Urknalls, der Expansion am Anfang des Universums.
    »Eine Alcubierre-Welle ist eine Front in der Raumzeit, die das Interface – in dem wir eingeschlossen waren – mitgerissen hat. Wir wurden von der expandierenden Region zur schrumpfenden getrieben.«
    »Wie ein Surfer auf einer Welle.«
    »Richtig.«

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