Xenozid
Augen‹.«
»Und das ist Ihr Name.«
»Meine Frau nennt mich Lauro«, sagte er. »Und meine Kinder nennen mich Vater.«
»Und ich?«
»Wie immer Sie wollen.«
»Dann Sule.«
»Lauro, wenn es sein muß. Bei Sule komme ich mir vor, als wäre ich sechs Jahre alt.«
»Und der Name erinnert Sie an die Zeit, als Sie noch sehen konnten.«
Er lachte. »Oh, ich kann jetzt auch sehen, vielen Dank. Ich sehe sehr gut.«
»Das hat Andrew auch gesagt. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Um herauszufinden, was Sie sehen.«
»Soll ich Ihnen etwas vorspielen? Eine Szene aus der Vergangenheit? Ich habe meine Lieblingserinnerungen im Computer gespeichert. Ich kann mich jederzeit einstöpseln und abspielen, was Sie gern sehen möchten. Ich habe zum Beispiel Andrews ersten Besuch im Haus meiner Familie aufgezeichnet. Und auch ein paar erstklassige Familienstreitigkeiten. Oder ziehen Sie öffentliche Ereignisse vor? Die Amtseinführung eines jeden Bürgermeisters, seit ich diese Augen habe? Die Leute wenden sich wegen solcher Dinge an mich – was für Kleidung haben sie damals getragen, was wurde gesagt. Ich habe oft Schwierigkeiten, ihnen zu erklären, daß meine Augen Bilder aufzeichnen und keinen Ton – genau wie ihre Augen. Sie glauben, ich sei ein Holofilmer und würde alles zu ihrer Unterhaltung aufzeichnen.«
»Ich will nicht sehen, was Sie sehen. Ich will wissen, was Sie denken.«
»Ach ja?«
»Ja.«
»Ich habe keine Meinung. Nichts, was Sie interessieren würde. Ich halte mich aus Familienstreitigkeiten heraus. Habe ich immer schon getan.«
»Und aus Familienangelegenheiten. Das einzige von Novinhas Kindern, das sich nicht der Wissenschaft zugewandt hat.«
»Die Wissenschaft hat allen anderen so viel Glück gebracht, daß ich mir nicht vorstellen konnte, mich auch damit zu befassen.«
»Nicht vorstellen konnte«, wiederholte Valentine. Und dann fügte sie hinzu, weil sie herausgefunden hatte, daß leicht spröde klingende Menschen offener sprachen, wenn man sie provozierte: »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie einfach nicht genug Grips dafür hatten.«
»Absolut richtig«, sagte Olhado. »Ich habe nur Grips genug, um Ziegel zu machen.«
»Wirklich?« fragte Valentine. »Aber Sie machen doch gar keine Ziegel.«
»Ganz im Gegenteil. Ich mache jeden Tag Hunderte von Ziegeln. Und da nun alle Löcher in ihre Häuser schlagen, um die neue Kapelle zu bauen, sehe ich für die nächste Zukunft ein stark ansteigendes Geschäft voraus.«
»Lauro«, sagte Valentine, »Sie machen keine Ziegel. Die Arbeiter in Ihrer Fabrik machen Ziegel.«
»Und ich als Geschäftsführer gehöre nicht dazu?«
»Ziegelmacher machen Ziegel. Sie machen Ziegelmacher.«
»Wahrscheinlich. Hauptsächlich jedoch mache ich Ziegelmacher müde.«
»Sie machen andere Dinge«, sagte Valentine. »Kinder.«
»Ja«, sagte Olhado, und zum ersten Mal während des Gesprächs entspannte er sich. »Das auch. Ich habe eine Partnerin.«
»Eine anmutige und wunderschöne Frau.«
»Ich habe nach Perfektion gesucht und etwas besseres gefunden.« Es war nicht nur einfach so dahingesagt. Er meinte es wirklich. Und nun war seine spröde Zurückhaltung und Vorsicht verschwunden. »Sie haben auch Kinder. Einen Mann.«
»Eine gute Familie. Vielleicht fast so gut wie Ihre. Der unseren mangelt es nur an einer perfekten Mutter, doch die Kinder werden sich davon erholen.«
»Wenn man Andrew von Ihnen sprechen hört, müssen Sie der beste Mensch sein, der jemals gelebt hat.«
»Andrew ist sehr nett. Und er kam damit durch, solche Dinge zu behaupten, weil ich nicht hier war.«
»Jetzt sind Sie hier«, sagte Olhado. »Warum?«
»Zufällig müssen einige Welten und Ramänner-Spezies überaus wichtige Entscheidungen treffen, und wie es sich herausgestellt hat, hängt ihre Zukunft zu einem großen Teil von Ihrer Familie ab. Ich habe nicht die Zeit, gemächlich herauszufinden, was ich wissen muß – zum Beispiel herauszufinden, wie die Familiendynamik funktioniert, warum Grego in einer einzigen Nacht vom Ungeheuer zum Helden werden kann, wie Miro gleichzeitig selbstmörderisch veranlagt und ehrgeizig sein kann, warum Quara bereit ist, die Pequeninos um der Descolada willen sterben zu lassen…«
»Fragen Sie Andrew. Er versteht das alles. Ich könnte das nie.«
»Andrew weilt im Augenblick in seiner eigenen kleinen Hölle. Er fühlt sich für alles verantwortlich. Er hat sein Bestes getan, aber Quim ist tot, und das einzige, worin Ihre Mutter und Andrew
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