Xenozid
habe, damit du meine Freundin bist.«
Wang-mu betrachtete sie verwundert. »Warum solltest du das tun, wenn die Götter dir doch schon gesagt haben, daß ich den Vormann bestochen habe, damit er mich deiner Gruppe einteilt und uns nicht unterbricht, während ich mit dir spreche?«
Die Götter hatten ihr das natürlich nicht verraten, doch Qing-jao lächelte nur. »Warum kommt es dir nicht in den Sinn, daß die Götter vielleicht wollen, daß wir Freundinnen werden?«
Bestürzt schlug Wang-mu die Hände zusammen und lachte nervös. Qing-jao nahm die Hände des Mädchens in die ihren und stellte fest, daß Wang-mu zitterte. Sie war also nicht so kühn, wie es den Anschein hatte.
Wang-mu sah auf ihre Hände hinab, und Qing-jao folgte dem Blick. Sie waren mit Schmutz und Erde bedeckt, die jetzt eingetrocknet war, weil sie so lange herumgestanden waren und die Hände nicht ins Wasser getaucht hatten. »Wir sind so schmutzig«, sagte Wang-mu.
Qing-jao hatte seit langem gelernt, einfach nicht mehr darauf zu achten, wie schmutzig sie bei der rechtschaffenen Arbeit wurde. »Meine Hände waren schon viel schmutziger«, sagte Qing-jao. »Wenn wir mit der rechtschaffenen Arbeit fertig sind, kommst du mit mir. Ich werde meinem Vater von unserem Vorhaben erzählen, und er wird entscheiden, ob du meine geheime Magd sein kannst.«
Wang-mus Ausdruck wurde verdrossen. Qing-jao war froh, daß man so leicht von ihrem Gesicht lesen konnte. »Was ist los?« fragte sie.
»Väter entscheiden immer alles«, sagte Wang-mu.
Qing-jao nickte und fragte sich, warum Wang-mu etwas so Offensichtliches überhaupt sagte. »Das ist der Anfang der Weisheit«, meinte sie dann. »Außerdem ist meine Mutter tot.«
Die rechtschaffene Arbeit endete immer am frühen Nachmittag; offiziell, damit diejenigen, die weit von den Feldern entfernt wohnten, vor Anbruch der Dunkelheit nach Hause zurückkehren konnten. In Wirklichkeit jedoch wurde damit der Brauch anerkannt, am Ende der rechtschaffenen Arbeit ein Fest zu feiern. Da viele Leute ihr Nachmittagsschläfchen verpaßt hatten, waren sie nach der rechtschaffenen Arbeit aufgekratzt, als wären sie die ganze Nacht aufgeblieben. Andere fühlten sich erschöpft und müde. Beides diente als Entschuldigung zu gemeinsamen Essen und Trinken mit Freunden, wonach man zu früher Stunde ins Bett fiel, um den verlorenen Schlaf und das harte Tagwerk auszugleichen.
Qing-jao gehörte zu denen, die sich erschöpft fühlten; Wang-mu dagegen war offensichtlich aufgekratzt. Oder vielleicht lag es einfach nur daran, daß die Lusitania-Flotte Qing-jao Sorgen bereitete, während Wang-mu soeben als geheime Magd einer gottberührten Dame akzeptiert worden war. Qing-jao half Wang-mu bei der Prozedur, die nötig war, wollte man sich im Hause Han um eine Anstellung bewerben – die Waschung, das Abnehmen der Fingerabdrücke, die Sicherheitsüberprüfung –, bis sie schließlich Wang-mus Plappern keinen Augenblick länger mehr aushalten konnte und sich zurückzog.
Als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufging, hörte sie, wie Wang-mu ängstlich fragte: »Habe ich meine neue Herrin wütend gemacht?« Und Ju Kung-mei, der Hüter des Hauses, antwortete: »Die Gottberührten antworten anderen Stimmen als der deinen, Kleine.« Es war eine freundliche Antwort. Qing-jao bewunderte oft den Sanftmut und die Weisheit derer, die ihr Vater in dieses Haus geholt hatte. Sie fragte sich, ob sie bei ihrer ersten Einstellung genauso klug gewählt hatte.
Kaum beschäftigte sie sich mit dieser Frage, da wußte sie auch schon, daß sie verderbt gehandelt hatte, solch eine Entscheidung so schnell zu treffen und ohne sich vorher mit ihrem Vater zu beraten. Wang-mu würde sich als hoffnungslos ungeeignet erweisen, und Vater würde sie, Qing-jao, tadeln, so töricht gehandelt zu haben.
Der Gedanke an Vaters Zurechtweisung genügte, um den augenblicklichen Tadel der Götter herbeizuführen. Qing-jao fühlte sich unrein. Sie stürmte auf ihr Zimmer und schloß die Tür. Es war die reinste Ironie, daß sie immer und immer wieder denken konnte, wie verhaßt ihr die Rituale waren, die die Götter verlangte, wie leer ihre Verehrung war – doch ein einziger unloyaler Gedanke an Vater oder den Sternenwege-Kongreß, und sie mußte augenblicklich Buße tun.
Normalerweise würde sie eine halbe, eine volle Stunde oder noch länger versuchen, dem Drang zur Buße zu widerstehen, ihre Unreinheit zu ertragen. Heute jedoch ersehnte sie das Ritual der Reinigung
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