Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
Vom Netzwerk:
in fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, ja vielleicht auch hundert Jahren auswirken werden. Warum solche Aussagen eigentlich unmöglich sind, aber überraschenderweise dennoch einige wichtige Aspekte zukünftiger Entwicklungen fundiert abgehandelt werden können, werde ich in diesem und weiteren Beiträgen besprechen.
    Ein großes Problem liegt naturgemäß in der Geschwindigkeit der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung. In der Informationsverarbeitung beträgt die so genannte »Halbwertzeit des Wissens« nur mehr zirka sechs Jahre. Kein Wunder also, dass zum Beispiel J. Hebenstreit schreibt, dass Prognosen in der Informationsverarbeitung »mit einem Zeithorizont von 20 oder mehr Jahren nur noch Science-Fiction« sein können! Und eine Ergänzung zu den berühmten »Murphy’s Laws« (Alles, was schief gehen kann, geht auch schief«) ist daher der »3. Satz der Computerwissenschaften« von mir: »Jede Computertechnologie, die man verstanden hat, ist veraltet!«
    Nach diesen »Vorbereitungen« erläutere ich zunächst einige der wesentlichsten Argumente, warum Prognosen so schwierig sind. Dann diskutiere ich eine weitere Ursache, deren Bedeutung oft übersehen wird. Und schließlich  erkläre ich, warum es trotzdem gelingt, in der Technologiefolgen-Forschung vertrauenswürdige Aussagen zu machen.

    Wissenschaftlich-technische Entwicklungen verlaufen nicht kontinuierlich, sondern in Sprüngen. Diese Sprünge (Erfindungen, Entdeckungen) sind fast nicht vorhersehbar (wären sie es, dann wären sie ja keine echten Erfindungen und Entdeckungen mehr!). Wie soll man aber zum Beispiel vor der Erfindung des Flugzeugs dessen spätere Auswirkungen oder vor der Entdeckung der Kernenergie deren Gefahren und Vorteile vorhersagen? Die Liste solcher Beispiele ist beliebig lang.
    Aber nicht nur Erfindungen als solche sind kaum (nicht?) vorhersehbar, auch ihre Akzeptanz, ja selbst ihre wahre Bedeutung ist häufig nicht abschätzbar. Ein klassisches Beispiel dafür, wie man sich bei der Einschätzung der Bedeutung einer Erfindung irren kann, liefert Edison mit seinem Aufsatz, den er verfasste, nachdem der von ihm erfundene Phonograph (= Plattenspieler) in Produktion gegangen war. (Dieses Beispiel ist darum besonders interessant, weil Edison nicht ein »Wissenschaftler in einem Elfenbeinturm« war, sondern ein Mensch, der mit beiden Beinen in der Realität der Wirtschaft stand). In diesem Aufsatz beschreibt Edison brillant, wie durch den Plattenspieler Konzerte und Stimmen für alle Zeiten konserviert und bis in die entlegensten Gegenden der Welt gebracht werden können. Auch andere wichtige Anwendungen erkennt und beschreibt Edison kristallklar: zum Beispiel die Vorteile der Wiederholbarkeit, d. h., dass eine einmal erworbene Musik immer wieder gespielt werden kann. »Vor allem aber«, schreibt Edison, »ist der Phonograph darum so wichtig, weil er es gestattet, ein Musikstück auch schneller oder langsamer abzuspielen.« Es ist doch erstaunlich, dass Edison diese Möglichkeit der Geschwindigkeitsveränderung für eine der wichtigsten Eigenschaften seiner Erfindung hielt, ein Aspekt, von dem wir heute wissen, dass er zur Verbreitung des Plattenspielers in keiner Weise beigetragen hat!
    Die Geschichte von Fehleinschätzungen von Erfindungen bzw. ihrer Akzeptanz ist voll von kuriosen Beispielen, in der Vergangenheit genau wie in der Gegenwart. Dem Telefon wurde seinerzeit nur eine ganz beschränkte Verbreitung zugesagt, »weil es keinen Sinn hat, ein solches Gerät zu haben, wenn alle Leute, die man anrufen will, auch keines besitzen«. Diese zugegeben hinderliche »Henne-Ei-Problematik« wurde und wird bedenkenlos immer wieder verwendet. Der von vielen Experten prophezeite Siegeszug der Videodisk blieb genauso aus wie die Akzeptanz von überschallschnellen Passagierflugzeugen. Und während sich die friedliche Nutzung der Kernenergie langsamer als erwartet entwickelt, ja in einigen Ländern sogar rückläufig ist (weniger aus technischen Gründen als aus irrationalen Emotionen) und sich elektronische Lexika und Zeitschriften aus urheberrechtlichen Gründen nur zögernd durchsetzen, werden manche Entwicklungen bei Datennetzen mit Recht als potenziell missbrauchbar bekämpft und werden daher nicht in ihrer ursprünglich beabsichtigten Ausprägung zum Tragen kommen. Die angeführten Beispiele zeigen, wie viele komplexe Faktoren die Auswirkungen von technologischen Entwicklungen beeinflussen und verlässliche Aussagen unmöglich machen,

Weitere Kostenlose Bücher