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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Maurer
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selbst wenn man Erfindungen und Entwicklungen vorhersehen könnte. Und da haben wir globale Einflüsse wie Kriege, Weltwirtschaftskrisen, Umweltkatastrophen durch Überbevölkerung oder Naturzerstörung noch gar nicht berücksichtigt!
      Als wenn das nicht genug wäre, gibt es neben vielen anderen kleineren Argumenten noch ein weiteres, oft zu wenig beachtetes Phänomen, das jede Technikfolgen-Prognose ad absurdum zu führen scheint: der durch große Quantitäten eintretende Qualitätssprung.
       Genauer, ein Sprung in der Quantität bringt häufig nicht nur »mehr vom Selben«, sondern ganz neue Eigenschaften (»Qualitäten«) mit sich. 
    Ein gutes (wenn auch schon etwas abgedroschenes) Beispiel ist die Entwicklung des Autos. Versetzen wir uns in das Jahr 1920. Autos waren damals (zum Beispiel Ford Lizzy) schon einige Jahre in Fließbandfertigung und begannen sich allmählich nicht nur als Busse, Taxis und LKWs, sondern auch als Privatautos durchzusetzen. In den Jahren seither hat sich das Auto prinzipiell nicht besonders verändert. Verändert hat sich nur die Tatsache, dass es sehr viel mehr Autos gibt. (In den USA zum Beispiel mehr Autos als Menschen über 20 Jahre!) Dieser Sprung in der Quantität von vereinzelten Autos zum Massenprodukt hat eine Reihe von Folgen mit sich gebracht, die 1920 selbst dann kaum vorhersehbar gewesen wären, wenn damals jemand auf die Idee gekommen wäre, dass irgendwann jede Familie mindestens ein Auto haben würde!
    Wer hätte 1920 ernsthaft prognostizieren können, dass einmal (a) die Wirtschaft so von der Autoindustrie abhängen würde, dass eine Krise in der Autoindustrie die gesamte Wirtschaft gefährdet, dass (b) das Auto von der Stadtplanung bis zur Familienplanung viele Bereiche des Lebens tief beeinflusst, dass (c) der Lärm und die Abgase von Autos zu einer Gefahr für Menschen und Umwelt werden oder dass (d) in 40 Jahren (1949–1989) mehr Menschen durch Autounfälle ums Leben kommen würden als in all den Kriegen in diesem Zeitraum zusammen (inklusive Vietnam, Nahostkriegen, süd- und mittelamerikanischen Konflikten und Afghanistan).
    Wenn wir heute zukünftige Folgen der zunehmenden Computerisierung vorhersagen wollen, dann befinden wir uns in einer analogen Situation wie beim Auto 1920. Auch wenn sich Computer in den nächsten 30 bis 70 Jahren nicht mehr »grundlegend« ändern sollten (was gar nicht so sicher ist), so wird sich jedenfalls ihre Verbreitung dramatisch vergrößern. Jeder Mensch wird zu jedem Zeitpunkt auf einen mächtigen (vernetzten) Computer zugreifen können; und es ist ein grundlegender Fehler zu glauben, dass damit eben »noch viel mehr mit Computer erledigt werden wird als heute«, ansonsten aber alles mehr oder minder so weiterläuft wie jetzt. Viel mehr werden durch die »Omnipräsenz« der Computer ganz neue Phänomene (Möglichkeiten, Vorteile und Gefahren!) auftreten, an die wir noch gar nicht denken, ja noch gar nicht denken können!
    Warum dies so ist, soll die folgende Analogie zeigen. Stellen wir uns doch vor, wir treffen in der Wüste einen Beduinen, der in seinem Leben noch nie mehr Wasser gesehen hat als jenes in den kleinen Tümpeln einiger Oasen. Angenommen, wir erzählen diesem Beduinen zum Beispiel vom Bodensee. Zuerst wird uns der Beduine überhaupt nicht glauben, dass es so viel Wasser gibt. Und wenn wir ihn dann doch überzeugt haben und ihn bitten, mit viel Fantasie nachzudenken, welche Konsequenzen eine so große Wassermenge hat, auf viel mehr als verwunderte Aussagen wie »Da kann man ja dann 50.000 Kamele gleichzeitig tränken!«, wird er kaum kommen. Konzepte wie: dass man in einer so großen Wassermenge »schwimmen« und »ertrinken« kann; dass man »Boote« bauen kann, um sich auf dem Wasser zu bewegen; dass diese aber durch »Wellen« umgeworfen werden können, dass an windstillen Herbsttagen die Luft um den See herum weitgehend undurchsichtig wird (Nebel); dass Tiere (Fische) in dem Wasser leben, die man fangen und essen kann usw.: Das alles sind Konzepte, die zu entdecken der Beduine kaum eine Chance hat.
    Und dabei ist ein großer See wie der Bodensee eben »im Prinzip« auch nichts anderes als der Tümpel in einer Oase, »nur« eben größer. Wenn wir also von der Computerisierung heute auf Folgen der absehbaren, sehr viel weitergehenden Computerisierung schließen wollen, dann geht es uns nicht besser, als dem beschriebenen Beduinen. Auch mit sehr viel Fantasie werden wir manche ganz neuen Phänomene nur mit

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