Yachtfieber
vorhin gesprochen hast. Und er versucht gerade herauszufinden, wer hinter diesen Fotos steckt. Und außerdem will er natürlich eine Gegendarstellung bewirken.«
»Kleingedruckt, letzte Seite, das kannst du haken, wenn du nicht Caroline von Monaco heißt!«
»Ich habe ihm vorgeschlagen, uns ein Exklusivinterview mit
›Stern‹, ›Focus‹ oder ›Spiegel‹ zu verschaffen.«
»Hm.« Marc studierte noch immer die beiden Fotos. »Hast du nicht gefilmt oder fotografiert, als mich die beiden Polizisten 71
mitgenommen haben? Dann hätten wir vielleicht das betreffende Schiff mit dem Fotografen irgendwo im Hintergrund.«
Pia schüttelte den Kopf. »Türkische Polizisten im Dienst fotografieren? Und auch noch gleich ihr Schiff mit diesem Dingsda, dem Maschinengewehr drauf? Ich befürchte, das wäre mir nicht so gut bekommen.«
»Das sind diesmal besonders schöne Ferien.« Marc schenkte sich das Glas voll und hielt es in die Runde: »Auf unseren Urlaub!«
Später wollte Marc segeln. »Wenn wir schon von diesem Kahn nicht herunterkommen, dann sollen sie sich bei ihrer Observierung wenigstens anstrengen müssen. Ferhat, ich kann diese Bucht nicht mehr sehen!«
Ferhat und die ganze Mannschaft waren froh darüber. Die Untätigkeit schürte Aggressionen, das ewige Herumsitzen ging allen auf die Nerven. Sie lichteten den Anker, und als sie auf dem offenen Meer waren, bauten sie die Sonnensegel ab und begannen, Segel zu setzen. Dazu hängten sich alle vier Crewmitglieder an eine Trosse und setzten wie beim
Glockengeläut ihr gemeinsames Körpergewicht gleichzeitig ein, um die schweren Segel nach oben zu ziehen.
Es war immer wieder ein tolles Schauspiel, und Alissa genoß es auch heute, obwohl sie dabei ein schlechtes Gewissen hatte.
Alles war so furchtbar, und trotzdem war sie entschlossen, den Urlaub zu genießen. Wer wußte schon, ob sie jemals wieder in den Genuß eines Segeltörns kommen würde?
Sie hatte sich mit Kim auf die hintere Liegefläche dicht an die wulstigen Rückenlehnen gesetzt, um niemandem im Weg zu sein. Kim hielt ein Glas frisch gepreßten Orangensaft in der Hand und trank in kleinen Schlucken. Das Fruchtfleisch, das ihr an der Lippe hängenblieb, angelte sie mit der Zungenspitze. Sie 72
sah so nachdenklich aus, daß Alissa ebenfalls schwieg. Sie wollte sie nicht stören.
Und sie fand auch, daß irgend etwas zwischen ihnen war. Die Ungezwungenheit, die in der Schule dagewesen war, dieses stille Einvernehmen in vielen Dingen, das gemeinsame spontane Lachen, alles war einer seltsamen Gezwungenheit gewichen, von der sie nicht wußte, wie sie sie ausräumen sollte.
»Du hast meiner Mutter das Händchen gehalten«, sagte Kim plötzlich. »Das war nett von dir!«
Alissa sah sie überrascht an. Das war es also. Sie war ins falsche Lager gerutscht, in das Mutterlager, während Kim auf der Seite der unbekümmerten Teenies stand.
»Es war nicht leicht für sie. Ich fand, etwas Beistand konnte sie gebrauchen. Es war ja nicht abzusehen, daß Marc heute schon wieder zurückkommen würde.« Sie zögerte. »Sie tat mir leid!«
Kim nahm einen kleinen, schnellen Schluck. »Ich nicht? Marc ist mein Vater, ich hätte auch Beistand gebrauchen können!«
Alissa war irritiert. »Ich weiß. Aber nachdem wir zusammen an der Reling gestanden hatten und du mir von früher, von deinen Ängsten und von deinen Vermutungen, erzählt hast, warst du für mich doch plötzlich unerreichbar. Ich kam überhaupt nicht mehr an dich ran, es war ja fast, als ob dir deine Ehrlichkeit mir gegenüber leid getan hätte!«
Kim stellte ihr leeres Glas neben sich und umschlang ihre Knie, ganz so, wie ihre Mutter es gestern auf dem Bugspriet getan hatte. »Nicht das, was man tut, ist ausschlaggebend, sondern das, was man fühlt!«
»Woher soll ich wissen, was du fühlst, wenn du was ganz anderes tust?«
Sie dachten beide nach.
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»Irgendwie scheint es doch wohl mit deiner Mutter
zusammenzuhängen.«
Kim seufzte und legte ihren Kopf schräg auf ihre Knie.
»Ich hab da eine Blockade«, sagte sie leise. »Ich weiß auch nicht, warum. Ich kann meine Mutter einfach nicht in den Arm nehmen. Sie nervt mich, wenn ich sie nur sehe.« Sie schaute unvermittelt auf und Alissa direkt in die Augen. »Ist das normal?«
»Ich kann mit deiner Mutter auch besser als mit meiner!«
Es war kurz still, dann mußten sie beide lachen. Der Bann war gebrochen, Alissa atmete auf.
»Jetzt bin ich aber froh«, sagte sie. »Ich habe schon befürchtet,
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