Yachtfieber
des Monoskis versenkt und klebte sich eben die Handschuhe zu. Shabaz hatte das Schnellboot in Stellung gebracht und die Leine ausgeworfen, die träge auf Kim zukam.
»Oh, Kim, ich drück dir die Daumen!« rief Alissa. Pia war die unumfochtene Meisterin auf dem Monoski, gefolgt von Uli, der sich stets durch sie herausgefordert fühlte. Aber heute hatte Pia keine Lust. Marc verkündete zwar, daß er mal wieder Mono versuchen würde, aber heute nicht, und außerdem fehlte ihm sowieso der rechte Wille zur sportlichen Höchstleistung. Er fand es gemütlicher, sich in der Hausfrauenstellung, wie er sagte, auf zwei Skiern hinterherziehen zu lassen. So achteten jetzt alle auf Kim, und Alissa ahnte, daß es für sie eine Zitterpartie war. Sie 79
wollte auf alle Fälle beim ersten Mal rauskommen, das war sie sich und ihrer Jugend schuldig.
Sie hatte das Trapez ergriffen und die Leine auf die richtige Seite ihres Skis gelegt. Shabaz fuhr langsam in Richtung des offenen Meeres, das Seil spannte sich, und in dem Moment, als Kim »go!« schrie, gab er Gas. Ein Ruck, der Ski zog an, sie kam aus ihrer Hockstellung hoch und stand. Alissa atmete auf. Wenn sie selbst fuhr, war ihr das egal, auch wenn es sie fünfmal reinhaute, aber für Kim war ein gelungener Start wichtig. Es sicherte ihr ein Erfolgserlebnis und somit einen konfliktfreien Abend, dessen war sich Alissa sicher.
Alle beobachteten, wie Kim gegen das Licht übers Wasser schwebte, elegant die Wellen des Motorboots kreuzte und schließlich, nach der zweiten Runde, von Shabaz in nächster Nähe zur »Dogukan« mit einer souveränen kleinen Kurve entlassen wurde. Sie kam bis fast vor die Treppe gefahren, bevor sie langsam, aber effektvoll unterging.
»Klasse!« schrie Alissa, und alle klatschten. Das gehörte dazu.
Im Vorfeld wilde Anfeuerungen, Beschimpfungen,
Diffamierungen, Prophezeiungen, die ganze Palette, um dem Kandidaten den Start zu erschweren, ihn möglichst gleich kopfüber untertauchen zu sehen, zum Schluß dann
uneingeschränkter Jubel, absolute Begeisterung, selbst wenn jemand ohne Skier zurückgeschwommen kam oder den Kopf unter dem Arm trug. Es war ein Ritual, durch die Jahre gefestigt, das Einläuten des Abends. Dann noch duschen, umziehen und sich auf das Abendessen und die Stunden danach freuen.
Zusammensitzen, reden, sich menschlich nah und wohl fühlen.
Nach dem Abendessen holten sie die Fragen wieder ein.
»Was wollen die jetzt bloß mit Inka und den anderen. Die wurden von Franco aufgegabelt, die haben sich gefreut, auf so 80
einem tollen Schiff mitfahren zu können, die wollten die Party, mehr nicht.« Kim schaute in die Runde.
»Gehen sie dir ab?« Uli schenkte sich das Glas noch einmal voll. »Mir nicht!« Er stellte die Flasche hart auf den Tisch zurück.
»Darum geht’s doch gar nicht!« Kim verzog das Gesicht. »Die sitzen jetzt in diesem Loch, und keiner weiß, wofür. Ist doch idiotisch!«
»Das ist es«, bestätigte Marc. »Aber es wird ihnen nichts passieren. Sie schreiben ihre Geschichte auf, und dann ist es gut.
Morgen sind sie wieder da. Eine neue Erfahrung in einem jungen Leben …« Er grinste.
»Wie bei dir, was?« Uli boxte ihn leicht in die Seite.
»Ja, wenn Franco nicht tot wäre und man mich nicht gerade in den Headlines killen würde, könnte ich tatsächlich darüber lachen!« Er gähnte verstohlen. »Aber heute bin ich ein bißchen angeschlagen, fürchte ich!«
Pia legte ihre Hand auf seine. Sie saßen dicht beieinander in die Sitzpolster der Nische geschmiegt.
»Ich denke, wir machen es wie in den Flitterwochen und gehen einfach früher«, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln, das ihr gleich darauf entgleiste. Sie riß entsetzt die Augen auf, und alle, die eben noch mitgelächelt hatten, starrten erst sie an und folgten dann ihrem Blick. Alissa saß mit dem Rücken zum Heck, und ihr Blut gefror. Stand Francos Leiche hinter ihr?
Bevor sie sich umdrehen konnte, hörte sie Kims Aufschrei und spürte etwas Metallisches, Kaltes an ihrem Hinterkopf. Ein Rohr. Alissa erstarrte.
»Und jetzt wollen wir wissen, wo Franco das Zeug versteckt hat!«
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Die Stimme war genau hinter ihr, sie glaubte den Atem an ihrem Ohr zu spüren. Sämtliche Härchen stellten sich ihr auf, sie wagte sich nicht zu rühren.
»Los!« hörte sie, und der Druck gegen ihren Kopf wurde stärker.
»Ich … weiß nichts«, stammelte sie.
Die anderen sagten kein Wort.
»Aufstehen!« Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, sie sah
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