Yachtfieber
Möglichkeiten, die in letzter Minute noch alles vereiteln konnten.
Als die letzte Faser riß, hätte sie sich fast überschlagen, so heftig war der Ruck. Sie war froh, daß sich das Messer nicht direkt in den Luftschlauch gebohrt hatte, aber es war ihr aus der Hand gefahren und lag jetzt irgendwo im Boot. Alissa schaute nach der »Dogukan«, sah das breite, hohe Heck mit Kim am erleuchteten Fenster, sah das mausgraue Polizeischiff nebenherfahren und sah, wie sich alles rasch entfernte. Jetzt war die Situation auf der »Dogukan« bereits unwirklich wie auf einem Geisterschiff.
Kim hatte ihr nachgeschaut, bis sie das dunkle Boot aus den Augen verlor. Hoffentlich steckte ein Schlüssel, dachte sie, sonst sitzt Alissa mit dieser Schiffsschaukel mitten auf dem Meer, und ich bin schuld. Aber eigentlich glaubte sie an ihr angeborenes Glück und hebelte das Fenster so weit wie möglich auf. Wenn Alissa angebrettert käme, wollte sie sprungbereit sein.
Krach und Geschrei nebenan ließen sie den Kopf
zurückziehen. Sie hatten Alissas Flucht entdeckt. Mist! Hätten sie damit nicht noch fünf Minuten warten können? Sie spielte mit dem Gedanken, sich jetzt ebenfalls schnell hinauszuziehen und draußen abzuwarten, bis sich der Sturm gelegt hätte, aber sie war kein Kletteras wie Alissa. Außerdem schreckte sie die Möglichkeit, doch noch im Wasser zu landen. Es wurde heftig an ihrer Türklinke gerüttelt. Das Rütteln wurde immer stärker, jetzt knallte eine Schulter mehrmals mit voller Wucht gegen die Tür und wurde von lauten Rufen und Verwünschungen
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begleitet. Sie ging schnell hinter die Tür, schloß leise auf, und beim nächsten Anprall öffnete sie mit Schwung. Mit lautem Gepolter schoß der Kerl durch den Raum und landete auf dem Bett, während Kim hinauswitschte und die Treppen nach oben rannte. Dort lief sie geradewegs dem Anführer in die Arme.
»Lieben wir Spielchen, ja?«
Er stand im Durchgang des Aufbaus, die Pistole in der Hand, Anja saß auf der Bank.
»Aber Sie doch auch?« Kim deutete auf das Polizeiboot, das als großer grauer Schatten nebenherfuhr. »Das ist doch scheiße!« sagte sie. »Wie soll das denn ausgehen? Alle tot? Und wofür?«
»Das habt ihr eurem Freund Franco zu verdanken!«
»Gut! Dafür würde ich ihn auch umbringen, aber ist er nicht schon tot? Und was haben wir damit zu tun?«
»Ihr bringt uns hier wieder heil raus!«
»Daß ich nicht lache!«
»Sus be!«
»Was heißt das?«
»Halt die Klappe!«
Kim setzte sich neben Anja.
»Und noch was. Mit den Typen, mit denen Sie
zusammenarbeiten, ist sowieso kein Blumentopf zu gewinnen.
Der eine hat seinen Verstand in der Hose, und der andere …«
»Sus be!«
Sie atmete hörbar aus, runzelte die Stirn und schaute Anja an.
»Gut, das habe ich jetzt verstanden!«
»Wir schmeißen die jetzt einfach über Bord!« Pia verlor die Geduld. Die heulende Nadine wurde ihr zunehmend
unerträglich. Wie waren sie nur auf die Idee gekommen, sie 113
überhaupt einzuladen? Und Marc war ihr zu lethargisch. Uli hatten sie verloren, Kim war verschollen, Alissa auch, Anja hatte ständig eine Pistole am Kopf. Mußte man sich so etwas gefallen lassen?
Sie schaute zu Ferhat. »Haben Sie nirgends eine Waffe herumliegen?« rief sie zu ihm hinüber, wohl wissend, daß ihr Bewacher kein Deutsch verstand. Trotzdem protestierte er und fuchtelte böse mit seiner Maschinenpistole herum. Aber der erste Schock war überwunden. Pia hatte schlicht keine Lust mehr, sich von schwarz gekleideten Hampelmännern
herumkommandieren zu lassen. Sie stand auf.
»Laß das«, sagte Marc erschrocken. Er kannte Pia und wußte, daß es kein Halten mehr gab, wenn sie erst einmal losstürmte.
»Das hier ist kein Spiel!«
Aber sie ging vor zu dem Schwarzgekleideten, der jetzt direkt auf sie zielte. Pia blieb stehen.
»Und?« sagte sie zu ihm. »Was jetzt?«
Er schrie etwas auf türkisch, das sie nicht verstand.
»Mir ist das hier zu blöd!« gab sie scharf zurück.
Er hob die Waffe höher, da traf ihn ein Schlag von hinten. Er fiel nach vorn, zuerst auf seine Hände, dann sackte er seitwärts zu Boden. Die Waffe hielt er noch immer fest.
»Danke«, sagte Pia kühl und betrachtete den Mann vor ihr.
»Und was jetzt?« fragte Ferhat, dem nach dieser Tat ganz offensichtlich nicht wohl in seiner Haut war.
»Jetzt haben wir eine Waffe!« Pia entwandt dem Bewußtlosen die Maschinenpistole und schaute Ferhat an. »Können Sie mit so was umgehen?«
»Ich habe damit
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