Yendi
mich los, das eine Messer auf meine Kehle, das andere hieb auf meine Brust. Ich versuchte, die Arme zu meinem Schutz hochzureißen - Und dann strömte ihr Blut aus dem Mund, und sie fiel mir vor die Füße. Das Messer, mit dem sie auf mich loswollte, schlitzte mir eine Wunde in die Brust. Als sie aufschlug, ging die andere Klinge in meinen Magen. Hinter mir hörte ich Flügelschlagen und war froh, daß Loiosh noch lebte, während ich auf den Schwerthieb von hinten wartete, der mich erledigen würde.
Statt dessen vernahm ich eine Stimme, die ganz deutlich wie Alieras klang, »Ihr - Ihr seid eine Dragon!« rufen. Und das Klingen aufeinanderschlagenden Stahls. Irgendwie drehte ich mich im Fallen um und sah, daß es tatsächlich Aliera war, in der Hand ein Großschwert, das länger war als sie selber, die gegen die Attentätern kämpfte. Und Morrolan höchstpersönlich sah ihnen zu, mit Zorn im Gesicht und Schwarzstab in der Hand. Alieras Klinge schwang hoch, als die Attentätern nach unten stach, und Loiosh rief: »Weg!«
Ich versuchte es, aber nicht mehr schnell genug, so daß die andere, die noch am Leben war, ihren Dolch bis ans Heft in meiner Niere versenken konnte. Schmerzen, wie ich sie bisher nie gespürt hatte, durchzuckten mich, und ich schrie. Ein Muskelkrampf riß mich auf die Knie und herum und zu Boden, flach auf den Bauch, auf die Klinge, die schon da war, und ich wollte nur schnell sterben, damit es vorbei war.
Einen Augenblick, bevor ich meinen Wunsch erfüllt bekam, war mein Gesicht nur ein paar Zentimeter von dem der anderen Attentäterin entfernt, der unvermindert das Blut aus dem Mund strömte und die mich mit verbissener Entschlossenheit anstarrte. Plötzlich wurde mir klar, daß sie eine Ostländerin war. Das tat fast noch mehr weh als der Rest, aber die Schmerzen vergingen und ich mit ihnen.
7
»WAHRSCHEINLICH GIBT ES EINFACH EINE ZEIT DAFÜR, DUMME SACHEN ZU MACHEN«
Verweilende Spuren von einem vergehenden grünen Licht, aber keine Augen, um es zu sehen. Die Erinnerung wie ein Brunnen, Bewußtsein wie ein Eimer - aber wer holt das Seil ein? Es kam mir so vor, als sei »Ich« vorgekommen. Dasein ohne Spürbarkeit, und der Eimer hatte das Wasser noch gar nicht erreicht.
Ich wußte, was »Sehen« war, als es kam, und ich starrte mit einemmal in zwei strahlende runde Dinger, die ich am Ende als »Augen« erkannte. Sie trieben in grauem Nebel und schienen mich zu sehen. Das mußte von Bedeutung sein. »Braun« kam mir in den Sinn, während ich in die Augen schaute, und fast gleichzeitig sah ich ein Gesicht um sie herum. Ich betrachtete es, und andere Begriffe gingen mir durch den Kopf. »Kleines Mädchen« war einer. »Niedlich« ein anderer. Und »schwermütig«.
Ich fragte mich, ob sie ein Mensch oder eine Dragaeranerin war und stellte fest, daß noch mehr von mir zurückgekehrt war.
Sie beobachtete mich. Was sie wohl sehen mochte, überlegte ich. Ihr Mund öffnete sich, und Geräusche quollen hervor. Mir wurde klar, daß ich schon eine ganze »Zeit« keine Geräusche mehr vernommen hatte, ohne daß es mir bewußt gewesen wäre. Die Geräusche klangen völlig tot, wie in einem Zimmer ganz ohne Widerhall.
»Onkel Vlad?« sagte sie noch einmal, und jetzt nahm ich es wahr.
Zwei Wörter. »Onkel« und »Vlad«. Beide bedeuteten etwas. »Vlad« bedeutete ich, und diese Entdeckung erfreute mich. »Onkel« hatte etwas mit Familie zu tun, aber was genau, wußte ich nicht. Ich dachte noch mehr über die Wörter nach, weil sie mir wichtig vorkamen. Als ich das tat, schien eine Welle aus grünem Licht überall um mich zu entstehen und mich einen Augenblick lang zu umhüllen, bevor sie verging.
Auch dies, fiel mir auf, war schon eine ganze Weile so gewesen.
Die Gefühle vervielfältigten sich, und ich spürte, daß ich wieder einen Körper besaß. Ich blinzelte und fand es wunderbar. Ich leckte mir über die Lippen, auch das war nett. Ich wandte meine Aufmerksamkeit aufs neue dem kleinen Mädchen zu, das mich weiterhin eingehend betrachtete. Irgendwie schien es jetzt erleichtert.
»Onkel Vlad?« sagte es, wie eine Litanei.
Oh, stimmt ja. »Vlad«. Ich. Ich war tot. Die Ostländerin, der Schmerz, Loiosh. Aber er war noch am Leben gewesen, vielleicht hatte er .
»Onkel Vlad?«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu sprechen. »Ich kenne dich nicht«, sagte ich und hörte, daß meine Stimme kräftig war. Die Kleine nickte enthusiastisch.
»Ich weiß«, antwortete sie. »Aber Mami macht sich
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