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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danijela Pilic
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nichts.
    Ich rief Alev an. Sie ging nicht ran, aus Scham wahrscheinlich, was ich verstehen konnte – schließlich hatte sie mich zum Yoga überredet. Ich rief also Polly an. Ich wollte dringend gelobt werden.
    »Toll, Schatz. Ich bin so stolz auf dich«, sagte Polly. »Wie fühlst du dich denn?«
    »Fabelhaft. Wirklich. So gut.«
    »Warte mal bis morgen«, sagte sie und lachte kurz. »Ich muss los, aber ich bin so so so stolz auf dich. Und Alev kriegt ’nen Einlauf mit Weizengras-Shake, das schwöre ich dir.«
    Während ich die Tomaten für den Salat schnibbelte – ich hatte mich vor lauter High gegen die Lasagne als Mittagessen entschieden –, überlegte ich, ob ich es nun ein für alle Mal geschafft hatte, die Seiten zu wechseln. Die Erste Welt teilte sich nämlich im Jahre 2010 nach Christus in zwei Klassen auf: die, die fit waren (oder auf dem Wege dahin), und die, die es nicht waren. Ich war es nicht. Bisher. Ob man Sport trieb oder nicht, war inzwischen mehr als nur eine Hobbyfrage: Es war eine Lebenseinstellung. Die Menschheit in der Ersten Welt ist unterteilt in Couch-Potatoes und Fitness-Freaks.
Couch-Potatoes
Fitness-Freaks
– erzählen gerne, dass »der Erfinder des Joggings beim Joggen einen Herzinfarkt bekam und starb.« Tja.
– weisen gerne darauf hin, dass »mehr Menschen vorzeitig durch Fettleibigkeit sterben als durch Unfälle, Morde oder Selbstmord.« Tja.
– nehmen sich vor, im Januar/vor dem Sommer/beim nächsten Neumond anzufangen.
– verbuchen Mitgliedschafts-beiträge, Yoga-Klamotten und Rennschuhe unter Fixkosten.
– existieren in nur einer
Stufe: faul.
– existieren in verschiedenen Härtestufen.
– heben sich Artikel über neue Trend-Sportarten auf. Vielleicht fangen sie bald damit an.
– bestreiten Eitelkeit als Motiv, sagen stattdessen: »Ich brauche das als Ausgleich.«
– sehen sich gerne Sport im TV an, tragen dabei gerne Sportklamotten.
– fühlen sich schuldig, wenn sie ihr Wochenlimit nicht erreichen.
– beneiden Fitness-Freaks um ihre Disziplin.
– beneiden Couch-Potatoes um ihre Sofastunden
    Obwohl die Fitnessbewegung in dem heutigen Ausmaß ein Phänomen der Neuzeit ist und wohl in den 70er-Jahren in den USA im großen Stil begann, wäre es falsch, den Körperkult der Moderne zuzuschreiben. Man sehe sich die alten Griechen und den Stress an, den sie sich antaten, um als Statue gut auszusehen. (Die Leibesertüchtigung galt aber nicht nur als Zeichen der Selbstdisziplin, sondern auch als Opfer zu Ehren des Vaterlandes und der Götter. Sie rückte außerdem die Einzigartigkeit des Individuums ins Bewusstsein und ermöglichte so als letzte Konsequenz die Demokratie. Nicht schlecht.) Doch auch die alten Griechen waren in zwei Lager gespalten. »Auf den Geist muss man schauen. Denn was nützt ein schöner Körper, wenn in ihm nicht eine schöne Seele wohnt?«, sagte Euripides. Etwas komplizierter und trauriger sah es Plato: »Die Seele ist an ihren Körper gefesselt und mit ihm verwachsen, gezwungen, die Wirklichkeit durch den Körper zu sehen wie durch Gitterstäbe, anstatt durch ihre eigene ungehinderte Sicht.« (Man kann dies durchaus als Aufforderung zum Joggen deuten.) Und Hippokrates fasste tausende von Schönheits- und Gesundheitsratgebern in diesem Satz zusammen: »Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.«
    Der Homo aerobicus hat durch den Fitness-Boom eine völkerübergreifende Unterteilung geschaffen: die Fitten und die Unfitten. Dabei ist es durchaus möglich, dass Kevins aus Marzahn und superreiche Ladys in eine Klasse fallen – die einen mit McFit, die andere mit Personal Trainer, einer Mischung aus Boxen, Yoga und eigenem Power Plate. Hauptsache straff, und das gilt von Korea, wo Pumpen das neue Video-Daddeln ist, bis Großbritannien, wo das Adjektiv fit längst das veraltete attractive ersetzt hat. (Es gibt natürlich auch Länder, in denen die Menschen sich mühsam ihr täglich Brot beschaffen und acht Kilometer zum nächsten Brunnen laufen müssen, sodass sie keine Zeit haben, sich über Pilates oder Tai-Chi Gedanken zu machen.)
    Zwei Dinge helfen der Sache der Fitten. Nein, drei.
Der sogenannte Lookism – Diskriminierung, die auf Aussehen beruht. Fettleibigkeit und Unfitness werden in der westlichen Welt mit mangelnder Disziplin, Faulheit oder Krankheit in Verbindung gebracht. Dem kann man mit einem Sixpack entgegentreten. Es ist folglich ebenso

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