Yoga Bitch
Post-Fasten-Wirkung noch lange anhält. Gute Besserung!«
Ich las ein bisschen über Nutrigenomik und fand heraus, dass die Lebensmittelindustrie schon eine »personalisierte Ernährung« plante, mit optimal auf den individuellen Gentyp abgestimmten Produkten. Bis zum Jahr 2025 könnte es nach dem persönlichen Genom-Chip maßgeschneiderte Nahrungsangebote geben. Das war ja noch eine Weile hin.
Was viel dringender anstand, war ein Treffen mit den Girls. Mein Regime hatte es mir längere Zeit nicht gestattet, sie in einem Cocktail-Kontext zu treffen, denn ich war in jeder freien Minute entweder mit Selbstoptimierung beschäftigt oder damit, mich von den Folgen der Selbstoptimierung zu erholen. Auch wenn das alles straffer machte: Glücklich, so schwante mir, machte das alles nur, wenn es jemanden gab, der die Straffung bewundern konnte. Und so ging es wieder einmal kreischend durcheinander.
»Ich weiß jetzt, warum mir ständig schlecht ist«, klagte Sophie. »Ich habe Fructosemalabsorption.«
»Echt?«
»Was ist das?«
»Du verträgst kein Obst ?«
»Genau. Übrigens leidet die Hälfte aller Erwachsenen daran. Ich kann nicht mehr als 25 Gramm Fructose täglich absorbieren, sonst wird mir schlecht.«
»Krass.«
»Ja. Nicht alle, die das haben, bekommen einen Reizdarm, aber ich eben schon. Ich bin total erleichtert zu wissen, was es ist.«
»Und jetzt?«
»Jetzt mache ich eine Darmtherapie: kein Fruchtzucker, kein Zucker und so. Aber jetzt erzähl’ du mal, wie läuft eigentlich das Projekt, wie heißt es, Sommerkörper?«
»Ja, meinst du, du wirst rechtzeitig fertig zur Hochzeit?«, fragte Alev.
»Wann ist die denn jetzt genau?«, fragte Rosa.
»Um eine Woche verschoben. Am 5. Juni. Fragt nicht«, sagte Alev.
»Es läuft super. Die Behandlungen sind wahnsinnig effektiv, außerdem mache ich viel Yoga und esse gesund. Ich laufe jetzt sogar auf dem Laufband, nachdem ich es anfangs nur als Kleiderständer benutzt habe. So, und bald kommt das Gesicht dran.«
»Du wirst doch jetzt nicht etwa Botox nehmen?«, fragte Sophie entsetzt.
»Na klar wird sie«, sagte Rosa. »Was ist denn schon dabei?«
»Ach, werde ich?«, fragte ich, denn das war mir selbst noch nicht bewusst. Ich sah Alev an. Sie enthielt sich. Wahrscheinlich führte sie einen ähnlichen inneren Kampf wie ich: Sie spürte den Glauben an das natürliche, würdevolle Altern, den wir noch vor zehn Jahren in uns trugen, bröckeln, angesichts eines sonnigen Tages und eines Vergrößerungsspiegels. Und Himmel noch einmal: Es stand uns ja frei, die Zeichen des Verfalls schnell, mit einer Spritze zu ändern. Machte uns das automatisch zu Freaks? Dabei hatte ich gar keine Angst vor physischen Folgen der Spritze, eher vor der Änderung meiner Philosophie: In meiner Intuition war der Verzicht immer noch die noblere Haltung und der Griff zum Botox Ausdruck der Eitelkeit, Kopflosigkeit, moralischen Gebrochenheit und Verzweifung. Wie gesagt, das war die Ansicht meines Instinkts, nicht meines Spiegels. Außerdem stand mir der Fleisch gewordene, perfekte Beweis, wie man Botox optimal für sich nutzen kann, gegenüber: Rosa.
»Was dabei ist? Na, es ist ein Nervengift, das ist dabei«, fauchte Sophie. »Es kann auch schiefgehen, und dann hängt das eine Auge so. Man kann es auch übertreiben und süchtig danach werden und dann aussehen wie die straffgezurrte Wachsleiche Kidman. Das ist dabei. Und das ist noch ohne die Langzeitfolgen, denn die kennt keiner …«
»Stimmt alles, aber nicht, wenn man es klug und richtig dosiert einsetzt«, sagte Rosa.
»Aber echt, was ist mit den Spätfolgen? Was macht das in 30 Jahren mit dir?«
»Schätzchen, das Zeug baut sich ab. Nach drei bis sechs Monaten ist es raus aus dem Körper«, versuchte Rosa sie zu besänftigen und winkte die Bedienung heran.
»Ja, aber es war da drin. Du weißt schon, was ich meine«, sagte Sophie entnervt.
»Außerdem hab’ ich neulich gelesen, dass man dann noch mehr Falten davon bekommen soll.«
»Nein, das kann nicht sein!«, rief ich.
»Doch. Wenn nämlich einige Muskeln lahmgelegt werden, machen andere Muskeln ganz in der Nähe Überstunden«, fuhr Sophie fort.
»Echt?«
»Aha. Dabei kommen dann ganz komische Falten raus, zum Beispiel diese Bunny Lines , die so diagonal auf der Nase verlaufen. Kann man schön bei Demi Moore oder Renée Zellweger sehen. Manche Ärzte spritzen deshalb schon präventiv Botox in die Nase. Ich hab’ den Artikel extra rausgerissen, nur für dich. Ich
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