Yoga Bitch
Brot mehr gegessen. Außerdem hatte ich ja ungefähr erreicht, was ich haben wollte. Mir war schon klar, dass das ohne Wartung nicht so bleiben würde, aber ich musste tatsächlich runterkommen. Ich rief Polly an und begann einen Monolog, in dem ich meinen Zustand ziemlich unzusammenhängend erklärte. Sie hörte mich an und sagte dann ruhig: »Hör auf deinen Satguru .«
»Auf meinen wie?«
» Satguru . Das ist der Guru deines Inneren, der es dir ermöglicht, die innere Wahrheit zu erkennen. Satguru ist wie ein Kompass, der dir den richtigen Weg weist. Er ist schon da, in dir drin, und will erhört werden.«
»Whoa, Polly, vor neun Monaten hätte ich noch gesagt, was für ein Eso-Quatsch.«
»Ja, aber jetzt musst du auf ihn hören.«
»Und der war immer schon da, der Satguru ? Warum hat mir das denn
niemand gesagt?«, wollte ich wissen.
»Jetzt musst du auf ihn hören«, sagte Polly nur.
Also hörte ich.
Mein Satguru sagte: Jetzt ist aber mal Schluss mit dem ganzen Unsinn.
Ich rief Rosa an, bedankte mich und kündigte ihr fristlos die Zusammenarbeit.
Danach aß ich drei Stück Kuchen. Der Post-Fasten-Effekt war plötzlich weg.
Am nächsten Tag schrieb mir Polly, dass sie noch ein paar Wochen in LA bleiben würde, um ihre Nase machen zu lassen. Außerdem schrieb sie:
Ich habe einen Spruch von Swami Sivananda gefunden, der dir helfen könnte. Er sagte: »Das Verlangen kennt kein Ende. Deshalb ist der einzige Weg zum Glück Zufriedenheit. Daher erlange Zufriedenheit.«
Das lässt sich natürlich auf jede Lebenslage anwenden, aber auf dein Dilemma trifft es ganz besonders zu, finde ich.
Grüße, auch an den Satguru xxx
Das stimmte, obwohl ich mich fragte, was Pollys Nase von dem Spruch halten würde.
Für Rosa hingegen war es großartig, dass die meisten Frauen keine Zufriedenheit, sondern besseres Bindegewebe erreichten wollen. Ihr Geschäft fing an zu brummen und funktionierte vor allem wegen einer fabelhaften Mund-zu-Mund-Propaganda (von der Chefin bis zu den Chihuahuas). Ich war froh, dass es gut lief für Rosa. Schließlich hatte sie ihre Meisterschülerin verloren.
*
Rosas Coaching hatte mich allerdings nachhaltiger beeinflusst, als ich es mir hätte vorstellen können. An Sophies Theorie des Beauty-Burn-outs war sicher etwas dran, doch je länger ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass ich dieses Projekt nicht einfach so abschließen konnte. Es abzuschließen würde bedeuten, es schleifen zu lassen, und dazu waren die Erfolge und Ergebnisse zu ansehnlich und zu hart erarbeitet. Vor allem aber konnte ich mir nicht vorstellen, künftig darauf zu verzichten, denn das würde heißen, in den Vorher-Zustand zurückzukehren, und der hatte mich ja nun mal nicht glücklich gemacht. Das Schlechte an mir hatte damals sowohl das Gute an mir als auch das Gute in mir übertüncht – klar, dass ich in diesen Zustand nicht zurückkehren wollte. Meine Selbstoptimierung war also von Anfang an kein Projekt mit Deadline gewesen, das ich einfach hinter mir lassen konnte, wenn ich nicht alle positiven Ergebnisse wieder zunichtemachen wollte. Es war, das wurde mir jetzt klar, ein andauerndes, lebenslanges Projekt. Wäre ich ein Auto, könnte man die bisherigen Schritte als Reparatur sehen, doch nun kam: Wartung, Wartung, Wartung. Wie passend, dass Wartung im Englischen »maintenance« heißt. Gott, war ich jetzt das, was man »high maintenance« nannte? Es schien so. Es schien auch, als könnte ich mich zwischen ebendiesen Möglichkeiten entscheiden – aufgeben oder »high maintenance« werden und damit ernsthaft in die Chihuahua-Schublade rutschen. Diese Wahl bildete ich mir übrigens nicht ein – die diktierte mir mein Alter.
Ein personifiziertes Beispiel soll meinen inneren Kampf erläutern: Ich wollte lieber wie Joan Collins als wie Brigitte Bardot altern, heute beide Ende 70. Collins (alias Alexis Carrington-Colby-Dexter) ist noch immer tadellos gestylt und geschminkt und sieht für 77 fabelhaft aus. Sie hat ein paar Schönheitsbücher auf den Markt gebracht, in denen eigentlich nur sinnvolle Sachen stehen, die von einem gesunden Menschenverstand zeugen. Zum Beispiel sagt sie, dass sie nicht an Diäten glaube (»Wer will schon vier Gramm Graupen abmessen?«), sondern eher daran, sich gut zu ernähren und nicht zu viel zu essen. Außerdem glaube sie nicht daran, dass man »mit 40, 50, 60, 70 oder wann auch immer auf den Müllhaufen gehöre«.
Vor allem aber ist Collins’ Standpunkt der
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