Yoga fuer alle
umgekehrt. Die Körperbewegung ist die Atembewegung und die Atembewegung ist die Körperbewegung. Die Übungen werden durchgeführt, um letztlich den Atem zu erleichtern und somit Pranayama – den Fluss der Lebensenergie durch bewusstes Atmen – zu ermöglichen und den Geist zu klären. Die nach unten gerichtete Energie bei der Einatmung verbindet sich mit der aufwärts gerichteten Energie bei der Ausatmung. Durch Übung wird der Körper weich und bleibt wach. Die Struktur des gesamten Körpers – angefangen bei der Wirbelsäule – ist am Atem beteiligt, der sich vom innersten Kern aus vor- und zurückbewegt.
Der Atem gibt dem Praktizierenden ein Verständnis für das Wechselspiel von Kontrolle und Hingabe. Indem wir uns darauf einlassen, statt dem kontrollierenden Verstand nachzugeben, kann der Körper loslassen und sich der Haltung viel leichter öffnen und hingeben. Wenn Atem und Körper koordiniert sind, sodass sie zu einem verschmelzen, fließt Energie in die Muskulatur – und dies verändert die Qualität des Yoga fundamental. Der richtige Umgang mit dem Atem bringt den Verstand zur Ruhe und das Bewusstsein in den Körper. Dies ermöglicht eine entspannte und zentrierte Aufmerksamkeit gegenüber dem gesamten Organismus und kann darüber hinaus Energie in die verschiedensten Bereiche des Körpers lenken. Weiterhin dient der Atem als sensibler Indikator physischer und psychischer Veränderungen. Er reagiert auf jede Bewegung, alle Berührungen und Gedanken, jedes Gefühl. Der Atem ist Ausdruck mentaler sowie körperlicher Vorgänge und Spiegel der Gesamtbefindlichkeit. Verspannungen, Fehlhaltungen und seelische Konflikte verflachen und beengen den Atem. Es gibt keine andere Körperfunktion, die empfindlicher und unmittelbarer auf psycho-physische Veränderungen reagiert: Uns »bleibt der Atem weg« vor Schreck. In »atemloser« Spannung verfolgen wir Nachrichten oder Thriller und müssen erst mal »die Luft anhalten« oder »tief durchatmen«, wenn wir aufgeregt sind. Wird der Atem bewusst erlebt und erfahren, so können die Selbstheilungskräfte (re-)aktiviert werden. Das Heile und Heilende wird auf der psychischen wie physischen Ebene stabilisiert und harmonisiert, sodass die Widerstandskraft gegenüber Krankheiten wächst. Werden dann noch die Grundlagen einer gesunden, naturgemäßen, auf das Individuum abgestimmten Ernährungs- und Lebensweise beachtet, treten akute Krankheiten immer seltener auf und chronische Leiden heilen aus.
Der Atem ist das Wesentliche im Yoga, da er das Wesentliche im Leben ist – und im Yoga geht es um das Leben.
T. Krishnamacharya
Pranayama
Pranayama ist, einfach ausgedrückt, bewusstes Atmen. Wenn deine Asanapraxis abgeschlossen und du entspannt bist, bist du bereit für Pranayama. Die ganze Bewusstheit wird auf den Atem gerichtet. Für acht bis 24 Atemzyklen können Techniken, wie verlängerte Ein- oder Ausatmung, wechselseitige Nasenlochatmung, Tönen, Kumbhaka (Atempausen) und Bandha (Körperverschlüsse), eingesetzt werden.
Pranayama kann als Reinigungsübung betrachtet werden. Durch die Verstärkung der Hitze im Körper werden Blockaden verbrannt oder beseitigt. Energie kann durch den ganzen Körper fließen, ihn heilen und stärken. In den alten Schriften heißt es, dass die meisten Blockaden in der Körperbasis zu finden sind. Dies ist der Ort, wo die Nadis in den Zentralkanal eintreten. Daher gilt es, die Basis des Körpers zu stärken und dann in die Hitze des Systems zu heben. Dies wird durch Körperhaltung, Atemarbeit und den Einsatz von Körperverschlüssen erreicht. So wird etwa nach der Ausatmung bewusst die ganze Region zwischen den Beinen angespannt und leicht nach innen und oben gezogen. Die Basis des Körpers und der Rücken werden dadurch zunehmend gestärkt, der Oberkörper wird leichter und weiter. Die Einatmung wird zu einer nach unten gerichteten Bewegung, die in die Stärke der Körperbasis hineinspürt. Dadurch wird die Bewegung von Prana aus dem Herzen (Hrid) hin zur Basis ermöglicht. Die Hitze im ganzen System steigt und bewegt sich in Richtung Basis. Die Ausatmung ist eine aufwärts gerichtete Bewegung der Lebenskraft. Sie ist begleitet von einem Gefühl der Stärke und des Loslassens in der Körperbasis. Sie verstärkt ebenfalls die Hitze und hält die Blockaden der Körperbasis im Feuer. Die abwärts gerichtete Bewegung des Prana energetisiert Apana, das Vayu, das für die Ausscheidungsfunktionen verantwortlich ist.
Bandha
Durch Bandha,
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