You are Mine
»Vorausgesetzt, wir können noch eine Tasse finden …«
Ich rollte mit den Augen. »Heute Nachmittag, versprochen.«
»Hmmph.«
Sie goss mir trotzdem einen Kaffee ein und schob ihn mir auf diese sorgfältige, vorsichtige Weise zu, in der sie alles tat.
Ruth war Architekturstudentin, schrieb an ihrer Doktorarbeit, und ich hatte mich oft gefragt, ob ihre intensive – manche hätten vielleicht gesagt zwanghafte – Aufmerksamkeit fürs Detail sie auf dieses Fach gebracht hatte oder ob diese Eigenschaft sich erst später entwickelt hatte, eine Gewohnheit, die nach Jahren intensiven Studiums zur zweiten Natur geworden war. Manchmal konnte es unglaublich nerven, aber sie hatte sich als die noch am wenigsten Verrückte in einer langen Abfolge von Mitbewohnern entpuppt. Und sie war wahrscheinlich so etwas wie die engste Freundin, die ich seit Jahren überhaupt gehabt hatte.
»Gut geschlafen, Lexi?« Madigan starrte mich an, mit einem intensiven, irritierenden Blick, den ich nicht deuten konnte. Es lag keine Trauer, kein Zweifel, keine Furcht, kein Überbleibsel der gestrigen Geständnisse darin. Es war, als wäre alles wieder normal und das Schreckgespenst des Todes, das dafür gesorgt hatte, dass sie sich so fest an mich geklammert hatte, wäre durch das Licht des Tages gebannt worden.
Ich wagte ein Lächeln. »Schon lange wach?«
»Ungefähr eine halbe Stunde. Ruth und ich haben Erfahrungen ausgetauscht.«
Ihr Ton war besitzergreifend, vielleicht sogar ein wenig eifersüchtig und ich warf einen Blick auf Ruth. Statt ihr übliches sardonisches Lächeln auf den Lippen zu haben – eine weitere ulkige Irre, die ich ertragen muss? –, starrte sie an die gegenüberliegende Wand und ihre kurzen braunen Haare warfen einen scharfen, dunklen Schatten über ihr Gesicht.
Und dann fühlte ich es. In der Spannung zwischen ihnen schwangen so unmissverständlich Revierstreitigkeiten mit, dass eine Welle von Selbstgefälligkeit mich überschwemmte. Ich distanzierte mich fast sofort davon, empfand einen Anflug von Scham und fühlte mich mehr als nur ein wenig unbehaglich.
»Ich hoffe, nichts allzu Verfängliches?«
Madigan lachte. »Aber natürlich! Wir sind den gesamten Katalog deiner vergangenen Sünden und Vergehen durchgegangen.«
»Ja«, fügte Ruth leise hinzu. »Wir wollten gerade das Urteil fällen.«
»Oh?«
»Schau nicht so besorgt, Lexi.« Madigan streckte die Hand aus und wuschelte mir durch die Haare, wobei sie Ruth einen bedeutsamen Blick zuwarf. »Ich kann ziemlich gnädig sein, wenn ich in der Stimmung bin.«
Diese Miene kannte ich nur zu gut. Ihre unverhohlene Finger-weg-Warnung – das gehört mir –, dieselbe sture Verweigerung zu teilen, an die ich mich noch aus unserer Kindheit erinnerte, jetzt irgendwie noch eindringlicher, weil sie unausgesprochen blieb. Katherine hatte sie ständig deswegen ermahnt, wegen dieser kleinlichen Selbstsucht, die oft von solch banalen Dingen hervorgerufen wurde: einem neuen Satz Buntstifte, einem alten, mottenzerfressenen Teddybär, den sie auf dem Boden der Spielzeugkiste wiederentdeckt hatte, dem letzten fleckigen Apfel in der Obstschale, das alles drückte sie mit demselben besitzergreifenden Schrei an die Brust: Mein!
Madigan mein, Madigan mein , ertönte dann der vorwurfsvolle Singsang ihrer Mutter, während sie widerwillig die Finger von dem begehrten Objekt löste. Sollen wir dich so nennen, Liebes? Madigan mein?
Immer noch dieselben alten Spiele. Nur diesmal war es ich, der beansprucht wurde.
Madigan mein. Ich hielt den Atem an, bevor die Worte meine Lippen passieren konnten, denn ich war mir sicher, dass das Wiederaufleben ihres alten Spitznamens nicht gut ankommen würde.
Stattdessen: »Habt ihr euch schon auf ein Strafmaß geeinigt?«
Madigan warf die Haare zurück und zwinkerte mir dramatisch zu. »Oh, ich bin mir sicher, dass du meine Anwesenheit als eine mehr als angemessene Strafe für deine Vergehen empfinden wirst.«
»Wirklich?«, fragte Ruth mit bittersüßem Sarkasmus. »Du willst ihn nicht einfach auf die Streckbank legen und es hinter dich bringen?«
Das Lächeln, das Madigan ihr schenkte, war zuckersüß. Ihr Blick schwenkte in meine Richtung, und sie küsste mich auf die Wange. »Ich muss wirklich duschen, Lexi.«
»Den Flur entlang, dann rechts«, erklärte ich ihr. »Du kannst mein Handtuch nehmen – das grüne.«
»Danke.« In der Tür hielt Madigan noch einmal kurz an. »Das ist das Problem an einer Nacht hemmungsloser
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