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You are Mine

You are Mine

Titel: You are Mine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstyn McDermott
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vielleicht nie stattfinden würden. Also war es erst später, nach der Beerdigung und dem Leichenschmaus, lange nachdem Katherines Verwandte aufgehört hatten, mit ihren Rosenkränzen zu klappern, und gegangen waren, dass ihr Vater sich mit ihnen hingesetzt und ihnen alles erklärt hatte. Madigan, tief erschüttert, war aus dem Haus gerannt und gelaufen, bis ihre Lungen brannten und ihre Knie zitterten und ihr Herz, dieses vertraute Organ, das sie nun fürchtete und hasste, heftig gegen ihre Rippen schlug und drohte, noch in diesem Moment zu zerspringen.
    Wie sie ihren Vater da gehasst hatte.
    Ihre Krankheit war nur eine Tatsache, aber das Wissen, das er ihr aufgezwungen hatte, wurde zum Fluch.
    Und so war sie weitergelaufen, war ständig in Bewegung geblieben, hatte versucht, jede mögliche Erfahrung in die wenige Zeit zu pressen, die ihr vielleicht nur noch blieb. Stillstand war der Feind – denn Stillstand war es, der sie am Ende zu sich holen würde – und ihr Leben nahm schließlich alle Merkmale einer Flucht an.
    Rennen, immer Rennen.
    Ihrem eigenen Fleisch aber konnte sie nicht entkommen.
    Egal, wie weit sie reiste oder wie sehr sie sich bemühte, sich im Leben anderer und dem komplizierten Lauf der Welt zu vergraben, die Wahrheit ihrer eigenen Sterblichkeit folgte ihr auf Schritt und Tritt. Ihr Herz wurde zu einer morbiden Besessenheit und jeder einzelne Schlag markierte einen Moment, den sie nicht mehr leben konnte, einen verlorenen Augenblick.
    Rennen, rennen, bis ihr Vater sie schließlich nach Hause gerufen und angedroht hatte, ihr den Geldhahn vollkommen zuzudrehen, wenn sie sich weigerte. Ohne Geld konnte sie nicht mehr reisen; der Gedanke, sich mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen, selbst in ihrem geliebten Berlin, war ihr ein Gräuel.
    So hatte sie sich zurückgeschleppt ins Familienanwesen in Toorak, zurück zu ihrem Vater, der sie in Watte packte und immer aufmerksam beobachtete. Seltsamerweise war ihr die Anpassung daran nicht so schwergefallen, wie sie befürchtet hatte.
    »Warum nicht?«, fragte ich. »Ich würde es hassen, so gefangen zu sein.«
    »Weil ich mich immer noch bewege«, antwortete sie. »Das ist eine der Sachen, die Berlin mir beigebracht hat: Manchmal geht es nicht darum, wie weit du reist, sondern wie tief du gehst.«
    Ich verstand nicht wirklich, was sie damit meinte, aber ich beschloss, nicht weiter in sie zu dringen. Die ganze Nacht war so überwältigend gewesen und mein müdes, biergetränktes Hirn war nicht fähig, alles aufzunehmen – noch weniger, alles zu verstehen –, was Madigan mir erzählt hatte. Morgen früh wäre sicherlich alles anders. Morgen früh … Mein Magen verkrampfte sich. Scheiß auf den Morgen; er könnte niemals kommen.
    »Madigan?« Ich streichelte mit dem Handrücken ihre Wange, vorsichtig, als wäre sie etwas Fragiles, das nur zu leicht brechen könnte.
    »Ja?«
    »Was willst du tun?« Eine allumfassende Frage, mit so vielen Bedeutungen: was willst du mit mir tun, mit uns, mit dem Jetzt, mit morgen …
    Sie seufzte, ein erschöpftes, sehnsüchtiges Rauschen.
    »Alles, Lexi. Ich will alles tun.«

Kapitel 3

    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mir kalt. Meine Zunge fühlte sich pelzig an. Das Bett war leer, die Decken lagen alle in einem Haufen auf dem Boden. Von Madigan war keine Spur zu sehen, und mein Herz rutschte mir in die Hose bei dem Gedanken, dass sie sich so früh, so mühelos weggeschlichen hatte, um mich wieder ohne ihre Telefonnummer zurückzulassen, es sei denn …
    Stimmen. Leise, aber definitiv weiblich und definitiv mehr als nur eine, drangen aus dem hinteren Teil des Hauses an meine Ohren.
    Ich grub Jeans und ein sauber riechendes T -Shirt aus dem Kleiderhaufen in einer Ecke, zog sie mir über und fuhr mir mit steifen Fingern durch die verknotete Masse, die zu der Zeit mein Haar bildete.
    »Wirklich schön, Alex«, murmelte ich. »Ich kann sehen, warum sie geblieben ist.«
    Sie waren in der Küche, Madigan und Ruth, sie lehnten an verschiedenen Arbeitsflächen und tranken aus den Tassen der letzten Stunde – angeschlagenen, rosa Steinguttassen, gespendet von meiner Mutter, die letzten Überlebenden ihres ältesten Tafelgeschirrs, die wir nur benutzten, wenn sonst nichts mehr sauber war.
    »Kaffee, Alex?«, fragte Ruth und warf einen vielsagenden Blick auf die Spüle, in der sich dreckiges Geschirr stapelte. Ich war dran mit dem Abwasch. Ich versprach schon seit drei Tagen, dass ich ihn bald machen würde.

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