You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
abgesehen liebte sie Reggae, weil er die Hüften schön zum Schwingen brachte.
Das Tor zum Anwesen war in allen Regenbogenfarben gestrichen worden, und wir parkten unsere Wagen neben einem Haus im Kolonialstil mit Ziegeldach, inmitten des üppigen Grüns von Mangobäumen und sanft gebogenen Palmen. Überall liefen Kinder herum oder fuhren Fahrrad. Wir gingen „ins Haus“ und stellten fest, dass der Fußboden aus gestampftem Lehm bestand, es gab keine Dielenbretter oder Teppiche, nur die nackte Erde. Ein Umstand, der den ganzen erdverbundenen Nachmittag perfekt veranschaulichte.
„Es ist cool, dass ihr hier seid, Leute … Macht’s euch gemütlich und bleibt, solange ihr wollt“, sagte Bob, von Kopf bis Fuß der lockere, entgegenkommende Rastafari mit dicken Dreadlocks, Jeans mit weitem Schlag und ärmellosem Hemd. Also taten wir es ihm an diesem Nachmittag gleich, machten uns locker und sprachen über die Kraft der Bäume, Mutter Erde und James Brown. Wir waren zu höflich, um ihn zu fragen, wonach es hier so seltsam roch, wie nach Ratten. Er hingegen respektierte unsere unschuldige Unwissenheit und erwähnte das Marihuana, das kurz zuvor in diesen Räumen weggeraucht worden war, mit keinem Wort.
Davon abgesehen war es schon allein eine Herausforderung, sich an das Getränk heranzuwagen, das er uns serviert hatte – eine Plastikflasche mit übel aussehendem, schmutzigem Wasser. „Sollen wir das trinken?“, fragte Michael, und die Wailers lachten.
Nun kann man ja schlecht die Getränke des Gastgebers ablehnen, und so hielten wir die Flasche hoch wie ein Schauglas mit einem präparierten Wurm im Biologieunterricht und betrachteten die Teilchen, die durch das braune Wasser schwebten. Wir anderen hatten das Glück, dass Michael die Flasche in der Hand hielt, deshalb waren alle Augen auf ihn gerichtet. „Das sind Kräuter und Gewürze“, versicherte uns einer der Wailers.
„Genau, das ist ein reinigendes Wundermittel für alle Arten von Krankheiten. Es ist gut für euch“, fuhr ein anderer fort.
Michael neigte die Flasche leicht, tauchte den Finger in die Flüssigkeit und leckte ihn vorsichtig ab, um sofort angeekelt das Gesicht zu verziehen. Das sagte uns alles über diese Brühe: Sie war nicht besser als Josephs Rizinusöl. Wir befreiten uns aus dieser Klemme, indem wir unserem Gastgeber versicherten, wir würden das Wundermittel mitnehmen, um es später zu trinken.
Wir hatten unglaublich viel Spaß mit den Leuten auf Jamaika, einem Land, das damals von heftigen Unruhen erschüttert wurde. Bob war nicht nur ein Vorreiter in musikalischer Hinsicht, sondern auch mit Blick auf seine Philosophie und die Art, wie er Liebe, Frieden und Harmonie in seinen Texten propagierte. Drei Jahre später veranstaltete er in Kingston ein Konzert unter dem Motto „One Love, One Peace“. Bei dieser Veranstaltung gelang es ihm, zwischen den Fraktionen zu vermitteln, die auch mit Gewalt gegeneinander vorgingen, und Premierminister Michael Manley von der People’s National Party gab seinem Kontrahenten Edward Seaga von der Labour Party auf der Bühne die Hand. Zwar war dieser Waffenstillstand nicht von Dauer, aber dennoch zeigte es Michael, was sich mit Musik – nicht mit Politik – erreichen ließ. „Das ist mein Ziel“, erklärte er. „Musik zu machen, die etwas bewegt.“
Der Ausflug nach Jamaika war insofern typisch für die Jahre 1974 und 1975, als wir unsere Ehefrauen – Hazel, Dee Dee und Enid – mitnahmen, damit die Monotonie der Tourneen nicht zu erdrückend wurde. Michael war zu ihnen stets höflich und zuvorkommend, aber dennoch irritierte ihn diese Entwicklung. Sie brach unseren brüderlichen Zusammenhalt auf und lenkte uns ab. Ganz praktisch gesehen bedeutete es unter anderem, dass er und ich uns kein Zimmer mehr teilten. Wahrscheinlich schraubten wir auch unsere wilde Bühnenshow etwas herunter, um unseren Frauen keinen Grund zur Eifersucht zu geben. Wie sich bald herausstellen sollte, war es allerdings wirklich nicht diese Art von Eifersucht, mit der es Probleme gab.
Den ersten Ärger gab es bei unserer Ankunft in Jamaika. Eine schwarze Limousine fuhr am Flughafen vor, und Tito und Dee Dee, die ein Stück vorausgingen, stiegen ein. „Sie sind Mr. und Mrs. Jackson?“, fragte der Chauffeur.
„Ja.“
„Sie sind … Mr. und Mrs. Jermaine Jackson?“
„Oh … nein, sind wir nicht, Entschuldigung“, sagte Tito und kletterte mit Dee Dee in den dahinter geparkten Tourbus.
Hazel und ich stiegen
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