You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
dem wir selbst so viel hatten bestimmen können, fühlten sich meine Brüder bei Motown bevormundet und eingeschränkt. Michael dachte immer mehr über eigene Songs nach, kritzelte Ideen auf Papier oder ließ sie sich genau durch den Kopf gehen, und immer wieder kam die Frage auf, ob das Motown-Schiff nicht allmählich zu sinken drohte.
Schließlich gab es ein schwieriges Treffen mit Mr. Gordy, zu dem ich nicht eingeladen wurde, und es war Michael, nicht Joseph, der dabei mehr Einfluss verlangte. Er stieß auf taube Ohren. Mr. Gordy war immer noch davon überzeugt, dass wir sein Team für unseren Erfolg brauchten, und das war für Michael ein Zeichen für Bevormundung und mangelndes Vertrauen. Ich hielt mich aus der Sache heraus; ich hoffte, dass sich das alles regeln werde. Michael mochte Mr. Gordy sehr und wusste, wie stur er sein konnte, aber er wusste auch, dass er sich überzeugen ließ. Genau wie damals, als er Suzanne de Passes Vorschlag, uns unter Vertrag zu nehmen, zunächst abgelehnt hatte. Und er hatte auch bei Marvin Gaye nachgegeben und ihm mehr Freiheiten eingeräumt, ebenso wie zuvor Stevie Wonder. Mr. Gordy war stur, aber man konnte mit ihm reden. Es brauchte nur Zeit.
I chwill, dass du vorbeikommst – ohne Hazel“, sagte Joseph. Ich war gerade auf dem Weg zur College-Abschlussfeier meines Schwagers Terry, als mein Autotelefon klingelte, ein Gerät von der Größe eines Ziegelsteins, das auf einer Säule zwischen den Vordersitzen montiert war. Die Segnungen der modernen Technik bedeuteten, dass ich plötzlich überall erreichbar war, zu jeder Zeit, und so konnte man mich natürlich auch ohne weitere Erklärung nach Hayvenhurst zitieren.
Wie befohlen wendete ich und fuhr nach Encino. Joseph hatte zwar wegen seiner Affäre viel Respekt bei uns eingebüßt, aber wir waren es immer noch gewohnt, seinen Anweisungen zu gehorchen. Bei den Worten „ohne Hazel“ hatte sich mir dennoch der Magen umgedreht. Instinktiv wusste ich, dass heute der Tag der Motown-Entscheidung war. Was ich dabei nicht ahnte, war, dass diese Entscheidung schon gefallen war.
Passenderweise war außer Joseph niemand zu Hause, als ich in Hayvenhurst ankam. Nicht einmal das Bellen eines Hundes war zu hören. „Ich bin in meinem Zimmer!“, brüllte mein Vater.
Er lag, gegen das Kopfteil gelehnt und die Füße auf dem Boden, halb ausgestreckt auf dem Bett, als ich die Tür öffnete. Der harte Blick in seinen Augen befahl: „Du wirst tun, was ich dir sage, Jermaine.“ Auf dem Bett, fächerartig ausgebreitet, lagen mehrere Verträge, die auf der Seite aufgeschlagen waren, auf der man unterschreiben musste.
Ich trat näher, nahm die Papiere, auf denen ich meinen Namen las, und blätterte sie durch. Es war eine Übereinkunft mit der CBS Records Group. Innerlich begann ich zu zittern.
„Wir gehen zu CBS. Du musst unterschreiben“, erklärte mir Joseph ohne Umschweife. Es sei eine unglaublich gute Gelegenheit, behauptete er. „Ihr könnt eure Songs selbst schreiben und werdet auch die Möglichkeit bekommen, selbst zu produzieren.“ Davon träumten wir alle, das wusste er.
Mir schwirrte der Kopf. Ihr habt einen Deal hinter meinem Rücken abgeschlossen? Wann denn? Wann hatten die anderen das getan? „Hat Michael unterschrieben?“, fragte ich.
„Ja.“ Er schubste das Papier mit Michaels Unterschrift in meine Richtung. Nagelte mich fest.
Ich ließ meinen Vertrag aufs Bett fallen. „Ich unterschreibe nicht.“
Joseph stand auf und kam zu mir herüber. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich meinem Vater widersprochen, und vermutlich konnten wir das in diesem Augenblick beide nicht glauben. Ich sah ihn an, die Tränen stiegen in mir auf, und ich fragte mich, wo die Loyalität und Integrität geblieben waren, die man uns immerzu eingeimpft hatte. Aber in Josephs Verständnis war es die eigene Familie, zu der man in erster Linie halten musste.
„Unterschreib“, sagte er.
Ich dachte an meine Frau, an meinen Schwiegervater Mr. Gordy und an all das, was er persönlich und als Label-Chef für uns getan hatte. Die Gordy-Familie. Die Motown-Familie. Stimmt genau, verdammt noch mal, hier geht es um die Familie. „Ich nehme mir einen Rechtsanwalt“, sagte ich und beeilte mich, aus dem Haus zu kommen. Joseph rührte sich nicht.
Sofort fuhr ich zu dem Restaurant in Beverly Hills, in dem Hazels Bruder noch immer seinen großen Tag feierte. Auf der Fahrt kreisten meine Gedanken immer wieder um Michael. Dass er so gehandelt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher