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You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

Titel: You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jermaine Jackson
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spielen kann und auf deren Besuche man sich immer freut. Sobald er uns sah, sprang er im Wohnzimmer herum, duckte sich und führte kleine Finten aus. Dann guckte er plötzlich so, wie er Joe Frazier immer angesehen hatte: Er machte ein charmantes Gesicht, riss die Augen ein wenig auf, nagte an seiner Unterlippe und nickte leicht. Er sah uns direkt in die Augen und schlug dann sauber links und rechts von unseren Ohren mit den Fäusten in die Luft. Wir machten beim Schattenboxen natürlich gleich mit. Er war schüchtern, hatte aber trotzdem eine enorme Ausstrahlung und eine strenge und gleichzeitig freundliche Art. Und nie ließ er heraushängen, dass er ein Star war. Der Ali, den man im Fernsehen herumwitzeln und Sprüche machen sah, der war es auch, der uns zu Hause besuchte.
    Er redete so schnell und aufgeregt, dass er andere mit seiner Begeisterung sofort ansteckte. Die poetischen Vergleiche, die er den Medien in seinen Interviews hinwarf, durchzogen auch die ganz normalen Gespräche mit ihm. Er gab ständig zitierfähige Kommentare von sich. Seine Sprache hatte so viel Rhythmus, dass er ohne weiteres der erste amerikanische Rapper hätte sein können, wenn man seine Worte mit Musik unterlegt hätte. Das Leben, sagte er, sei ein Denkspiel. Man steige ja auch nicht ohne eine Strategie in den Boxring, und wir alle bekämen unsere Chance, große Ziele anzupeilen. Schwarz oder weiß. Reich oder arm. „Wenn du dir jeden Tag sagst, dass du der Beste, der Größte bist, dann kann dich niemand schlagen. Du musst dir sagen, dass du die ganze Welt hinter dir lässt. Sei der Größte. Glaube daran. Dann wirst du es.“ Damit meißelte Ali, um es versuchsweise so poetisch wie er auszudrücken, die Leitsätze unserer Eltern in Stein.
    Michael mochte Ali vor allem deswegen, weil die beiden sich gleichermaßen für Zaubertricks interessierten. Einmal befanden wir uns draußen im Garten, der Fotograf Howard Bingham war auch dabei, und Ali bat uns, einen Schritt zurückzutreten, während er sich im Profil zu uns stellte und plötzlich ein kleines Stück über dem Boden schwebte. Wie ein Schmetterling.
    „Mach das noch mal! Mach das noch mal!“, rief Michael, der Alis Beinarbeit keinen Augenblick aus den Augen ließ. „Mann, wie machst du das?“
    „Viel Konzentration und viel Zauberei!“, entgegnete Ali.
    Tatsächlich brachte Ali ihm bei, wie diese Art des Schwebens funktionierte. Sie trafen sich öfter auf seinem herrlichen Anwesen in Hancock Park; nach seinem ersten Besuch dort erzählte Michael mit leuchtenden Augen von den Großaufnahmen von Alis Kämpfen und den Boxgürteln, die an den Wänden hingen. Michael lernte dort Zaubertricks, und die beiden verbrachten Stunden damit, bestimmte Kniffe zu üben, aber gleichzeitig lernte mein Bruder ebenso viel über Alis Lebensphilosophie, seine religiösen Einstellungen und seine Liebe zur Musik – Jackie Wilson und Little Richard – wie über das, was man brauchte, um ein richtig guter Showman zu sein.
    In späteren Jahren fand ich mich aus ganz anderen Gründen öfter bei Ali zu Hause ein – seine dritte Ehefrau Veronica Porsche und ich hatten zweimal die Woche gemeinsam Schauspielunterricht an der Milton Katselas School Of Acting in Beverly Hills. Ich war dort, weil ich langfristig gern Filmregisseur werden wollte, und ihr Traum war die Schauspielerei. Sie erschien stets in makelloser Garderobe, wenn sie ihre Monologe präsentieren musste, und am meisten überraschte mich, dass sie ihre eigenen Requisiten mitbrachte. Und zwar nicht in einer Tasche, sondern mit dem LKW. An ihrem Ehrgeiz war jedenfalls nicht mehr zu zweifeln, als ein Lastwagen am Theater vorfuhr und ein Möbelpacker Sofas, Stühle, Tische und Lampen auslud. Es war ganz offensichtlich, dass die Frau des größten Showmans der Welt alles einsetzte, was sie hatte, um Erfolg zu haben.
    Mitte der Siebziger war Michael sehr fasziniert von Alis Bewunderung für Malcolm X. Das ging uns allen so, vor allem unserem alten Schulfreund John McClain und mir, weil wir damals politisch am radikalsten waren. Motown hatte uns angewiesen, uns mit Kommentaren über Malcolm X und seinen Kampf gegen die Rassendiskriminierung zurückzuhalten – Fragen zu „Black Power“ waren in Interviews verboten –, aber privat begrüßten wir sein Engagement für Rassengerechtigkeit. Und ich werde nie das Fernsehinterview vergessen, in dem Ali 1977 von seinem Besuch im Weißen Haus erzählte. „Die Bilder an den Wänden vermittelten mir

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