You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
erklärten: „Wir wollen dein Autogramm nicht. Du hast die Gruppe verlassen – du hast deine Brüder verraten!“
Eins kann ich Ihnen versichern – wenn man immer nur bewundert und gelobt worden ist und man seine Fans seinerseits auch stets geliebt hat, dann ist so etwas ein harter Schlag. Das Positive an einer so dunklen Zeit ist jedoch, dass man als Künstler auch seine Inspiration aus solchen Stimmungen ziehen kann. Meine Auseinandersetzung mit der Einsamkeit verarbeitete ich in dem Song „Lonely Won’t Leave Me Alone“, der 1986 auf meinem Album Precious Moments erschien. Aber ich denke, der Song, der am besten schildert, wie es mir in der Zeit und in den folgenden Jahren ging, ist „My Brother’s Keeper“. Hier offenbarte ich wirklich meine innersten Verletzungen, wie in einem alten Tagebuch, das man als Kind geschrieben hat: „It’s been five years or more since we’ve sung our song / And I wonder why we took so long / Through all the pain and the tears I cried / Our dream never died inside …“ Hören Sie ihn sich auf Youtube an. Dieser Song wird mich immer an das Auseinanderbrechen der Jackson 5 erinnern.
Eines Nachmittags beschloss Hazel, dass ich unbedingt mal wieder unter Leute kommen müsse, und fuhr mit mir zum Rodeo Drive nach Beverly Hills zum Einkaufen. Dabei trafen wir Barry Whites guten Freund, den Komponisten und Produzenten Gene Page, dessen geschickte Arrangements viele von Barrys Bettgeflüster-Songs einrahmen. Barry feierte am Abend eine Party, und Gene lud uns dazu ein. Es war eine der bedeutsamsten Einladungen meines Lebens.
Barry wohnte damals in Sherman Oaks. Sein großer Garten, dicht mit tropischen Pflanzen bewachsen und von einem großartigen Wasserfall gekrönt, war voller illustrer Gäste und wichtiger Entscheidungsträger der Musikindustrie. Barry begrüßte uns mit einem breiten Lächeln, das seinem Leibesumfang in nichts nachstand, und blieb den ganzen Abend an unserer Seite. Wir saßen in seiner Bibliothek; die Freundschaft, die wir an diesem Abend schlossen, sollte bis zum Ende seines Lebens halten. Ich war in seinen letzten Stunden an seiner Seite.
Er war ein wundervoller Mensch mit einem enorm großen Herzen; ein weiser Mann, der wusste, wie er die Seelen der Menschen mit seinen Texten erreichen konnte. Wir teilten später unsere Begeisterung für Wohnmobile und Pferde, und wir blieben gern lange auf, um uns wieder und wieder Die zehn Gebote anzusehen. Diesen Filmklassiker guckten wir so oft, dass wir das Drehbuch irgendwann auswendig kannten.
Barry gab mir einen unschätzbaren Rat, was meinen eigenen winzigen Eintrag in die Geschichtsbücher betraf. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich ihn mit meinem Dilemma langweilte, obwohl ich meine Entscheidung ja schon längst gefällt hatte. „Das ist eine Charakterprüfung“, sagte er, „und es geht darum, an den Dingen festzuhalten, an die wir glauben. Du hast ein gutes Herz, J“, fügte er hinzu, „folge deinem Herzen. Du kannst auf mich zählen, und deine Brüder werden sich schon wieder berappeln. Es gibt die Familie und es gibt das Geschäft – das darf man nicht durcheinanderbringen.“
Barry sollte recht behalten. Ende 1976 wurde ich wieder in den Schoß der Familie aufgenommen, und das Thema wurde, wie üblich bei uns, so gut wie nie wieder angesprochen. Ich glaube, beide Seiten hatten erkannt, dass wir die Angelegenheit hätten besser regeln können, aber um keinen Unfrieden in der Familie zu stiften, schoben wir die künstlerischen Querelen beiseite.
Nun, da ich wieder regelmäßig in Hayvenhurst vorbeischaute, begriff ich das eine: Selbst wenn sich die Welt um uns herum wandeln mochte, zwischen uns Brüdern würde sich langfristig nie etwas ändern. Wir konnten sogar wieder miteinander lachen. Michael spielte uns ein Demo der Jacksons vor, und ich hörte mit ernstem Gesicht konzentriert zu. „Das ist gut … Da fehlt nur eine Kleinigkeit“, sagte ich.
„Was denn? Was braucht der Song denn noch?“
„Meine Stimme.“ Das war nur zum Teil ein Witz. Mein Trennungsschmerz musste gelegentlich auch einmal an die Oberfläche.
Michael war sehr gern im Strandhaus und auf der Ranch. Er liebte die Beschaulichkeit des Hidden Valley und die Meeresbrise in Malibu und sagte oft zu mir: „Diese Häuser darfst du nie verkaufen.“ Ihm gefiel vor allem, dass beide Anwesen so viel Privatsphäre garantierten. Das gefiel vermutlich auch meinen Nachbarn, den Schauspielern Ryan O’Neill, der vier Häuser
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