You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
an der Gruppe festhielt, weil sie ihm Sicherheit vermittelte, aber eigentlich schon beschlossen hatte, ihr in absehbarer Zeit endgültig den Rücken zu kehren. Sein großes Talent wollte sich richtig austoben und wartete nur auf den richtigen Moment. Als CBS Records meine Brüder mit Kenny Gamble und Leon Huff zusammenbrachten, gaben diese beiden Songwriter und Produzenten dem Wissen, das Michael bei Motown gesammelt hatte, den letzten Schliff: Wieder lernte Michael etwas Neues über Songaufbau und Arrangements.
Das Team Gamble und Huff war federführend für den Sound verantwortlich, der weltweit als Philly International bekannt geworden war. Dieser Mix aus Soul und Funk, mit einem üppigen Streicherteppich und einem dominanten Beat versehen, war, wie sie selbst es formulierten, „wie ein Blatt aus Detroit herübergeweht und in Philadelphia gelandet“. „If You Don’t Know Me By Now“ von Harold Melvin & The Blue Notes, „Me And Mrs. Jones“ von Billy Paul oder „Ain’t No Stopping Us Now“ von MacFadden & Whitehead waren typische Beispiele für die Juwelen, die in ihrem Studio entstanden.
Also zogen meine Brüder nach Osten, um in Philadelphia an neuer Musik zu arbeiten. Letztlich waren sie in dieser Umgebung gar nicht so weit von ihren Motown-Wurzeln entfernt, hatten allerdings die Möglichkeit, viel stärker auf den kreativen Prozess einzuwirken. Sie konnten sich endlich als Songwriter und Produzenten erproben und schufen großartige Popmusik. Die ersten beiden Alben unter der Ägide von Gamble und Huff taten sich ebenso schwer wie die letzten, die wir noch zusammen eingespielt hatten. Aber das Blatt wendete sich mit dem dritten Album Destiny , das mit Doppelplatin ausgezeichnet wurde: Dieses Mal hatten meine Brüder das Material fast komplett selbst geschrieben und produziert, und der Erfolg stellte unmissverständlich klar, dass ihr Wunsch nach künstlerischer Autonomie absolut berechtigt gewesen war. Auf dem Album waren drei Hitsingles enthalten: „Enjoy Yourself“, das Platz 6 in den USA erreichte, „Show You The Way To Go“, mit dem sie zum ersten Mal Nummer 1 in England wurden, und „Shake Your Body“, das in den USA bis auf Platz 7 kam und sich über 2 Millionen Mal verkaufte. „Blame It On The Boogie“, die Coverversion eines Songs, der ironischerweise im Original von einem Engländer namens Mick Jackson stammte, kam in Großbritannien ebenfalls in die Top 10.
Der Sender CBS zeigte damals eine Fernsehserie mit dem Titel The Jacksons , in der auch Janet, La Toya und Rebbie zu sehen waren, aber selbst, wenn er das nicht öffentlich sagte, fand Michael die konstruierten komischen Situationen und die eingeblendeten Lacher schrecklich. Es war wieder richtiges Vaudeville-Theater, das nun allerdings nicht auf eine Bühne in Las Vegas beschränkt blieb, sondern in ganz Amerika über die Fernsehschirme flimmerte. Zudem machte er sich Sorgen, dass seine musikalische Karriere Schaden nehmen würde, wenn er zu oft im Fernsehen zu sehen wäre. Wir hatten immer schon gesagt, dass ein Künstler zu leicht verbrannte, wenn er ständig in bestimmten Sendungen auftauchte, und daher war Michael extrem vorsichtig.
Für mich war das Leben ohne meine Brüder erst einmal eine harte Konfrontation mit der Wirklichkeit. Motown steckte viel Arbeit und Geld in die Produktion meines Albums My Name Is Jermaine , engagierte sich aber bei der Promotion weniger stark als erhofft. Bei dem Label hatten andere Künstler wie Stevie Wonder, Marvin Gaye oder Diana Ross einfach größere Priorität. Davon, dass ich das neue „Lieblingskind“ der Geschäftsleitung sein sollte, war jedenfalls wenig zu spüren.
Das wurde mir 1982 besonders schmerzhaft klar, als der Titel „Let Me Tickle Your Fancy“, den ich mit Devo eingespielt hatte, auf Platz 17 der amerikanischen Charts gelistet wurde und im Billboard -Magazin mit einem roten Punkt versehen wurde – dem Zeichen dafür, dass man davon ausging, er würde noch weiter nach oben klettern. Aber Motown tat nichts, um die Gunst der Stunde zu nutzen, und der Song verlor seinen roten Punkt schnell wieder und kletterte die Charts hinunter. Damals war ich gerade in London, und ich erinnere mich, wie ich durch die Stadt wanderte und mich einsam und verlassen fühlte. Mein größter Charterfolg mit Motown war „Let’s Get Serious“, das 1980 Platz 9 in den Billboard Hot 100 erreichte und bis an die Spitze der amerikanischen R&B-Charts kam, was mir dann später bei den Grammys
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