You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
entschlossen. Mir blieb nichts anderes übrig, als seine künstlerische Entscheidung zu respektieren, und ich musste akzeptieren, dass wir Motown 25 ohne ihn machen würden. Persönlich tat mir das sehr weh.
Wenig später rief Mutter mich an und berichtete, dass Mr. Gordy unerwartet vor der Haustür gestanden habe. Zwar hätte ich nicht darauf gewettet, dass er etwas würde ausrichten können – wenn Mutter das schon nicht gelang, dann gelang das niemandem. Aber mein Schwiegervater hatte stets darauf beharrt, dass die Abwanderung der Jacksons zu CBS in aller Freundschaft erfolgt war, ohne jegliche Ressentiments. Und nun schaute er eben bei Michael vorbei, um meinen Bruder wissen zu lassen, wie viel unserem alten Label-Chef daran lag, dass sein ehemaliger Star an diesem Abend mit dabei sein würde.
„Denk noch einmal darüber nach“, bat er ihn. „Wieder auf einer Bühne mit Jermaine … wieder vereint! Das wird wunderbar!“ Mr. Gordy hatte nie vergessen, wie Michael ihn vor dem Westbury Music Fair anrief, weil er mich so sehr vermisste. „Aber jetzt ist es nicht nur Jermaine, der dich braucht“, setzte er hinzu. „Ich brauche dich; die ganze Motown-Familie braucht dich.“ Er erinnerte ihn daran, dass Smokey sich wieder mit den Miracles zusammentat und dass Diana Ross mit den Supremes auf die Bühne gehen werde. Es war unvorstellbar, dass diese Gelegenheit verstreichen würde, ohne dass Michael mit den Jackson 5 sang.
Schließlich gab Michael nach. „Okay, ich mache es“, sagte er. Allerdings stellte er eine Bedingung: Abgesehen von einem Jackson-5-Medley wollte er einen Soloauftritt, um „Billie Jean“ vorzustellen. Ein CBS-Song, und das an einem Abend, der Motown gewidmet war – dass er sich das überhaupt vorzuschlagen traute, ist bewundernswert. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Mr. Gordy auf diesen Kompromiss einging. Jedenfalls wurden wir uns alle einig; wir alle wollten, dass diese Show etwas ganz Besonderes würde.
Sofort machten wir uns daran, eine Choreographie auszuarbeiten, die wir dann in Hayvenhurst und bei Jackie zu Hause einstudierten, aber niemand von uns wusste, was Michael für seine Solonummer plante. Niemand ahnte, dass er die Plattform, die ihm das Fernsehen bot, wieder nutzen wollte, um einen neuen Tanz einzuführen, den er sich bei den Street-Dancern abgeguckt hatte und an dem er schon seit zwei Jahren arbeitete. Der Schritt nannte sich Moonwalk.
Auch über die Kleidung, die er bei dem großen Auftritt tragen wollte, machte er sich ausführlich Gedanken. Der weiße Strass-Handschuh, die schwarzen, nach Sammy-Davis-Manier auf Halbmast getragenen Hosen, weiße Socken und das silbern funkelnde Hemd waren gesetzt, und er hatte sein Management gebeten, ihm einen schwarzen Fedora-Hut zu besorgen, „so einen, wie ihn die Geheimagenten tragen“. Aber bei der Jacke wurde es schwierig. So sehr er sich auch überall umsah, er fand nicht die richtige. Er sah sich in seinen Räumen um, dann trat er auf den Flur und entdeckte, dass Mutters Schlafzimmertür offen stand. Da er alles liebte, was glitzerte, erinnerte er sich, dass sie einmal eine schwarze strassbesetzte Jacke getragen hatte. Er ging an ihren Schrank, suchte sich das besagte Kleidungsstück heraus, zog es an und lief dann hinunter in die Küche, um es der eigentlichen Besitzerin zu präsentieren. „Das wäre eine optimale Jacke für die Show!“, rief er. „Und sie passt perfekt!“ Er fand es großartig, wie die Jacke glitzerte. „Stell dir vor, wie sie im Scheinwerferlicht funkeln wird!“ Und so fand Mutters Jacke ihren Platz in der Musikgeschichte. Mit einem Tanzschritt aus den Straßen von L.A. und einer Jacke aus dem Schrank seiner Mutter war Michael jetzt bereit für die Show.
Wenn es um den Moonwalk-Moment geht, fragen Fans mich immer: „Wie war Michael vor und nach diesem Auftritt drauf?“ In den Köpfen der Leute hat dieser Augenblick seiner Karriere eine solche Bedeutung bekommen, dass sie davon ausgehen, schon damals habe man seine Größe erahnen müssen – so, als hätte Michael sich in einem Zustand tranceähnlicher Konzentration befunden, um sein Wunder auf die Welt loszulassen. Die Wahrheit war viel unspektakulärer. Er nahm die große Fernsehübertragung aus dem Pasadena Civic Auditorium völlig locker. Für Mr. Gordy und Motown war es eine Riesensache, für Michael aber nur ein Auftritt unter vielen. Als wir ihn fragten, was er für seinen Soloauftritt geplant habe, meinte er nur: „Ich
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