You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
improvisierte und ließ sich vom Beat führen. Und dann, im Mittelteil des Songs kam das, was er so lange geprobt hatte: fünf Sekunden Moonwalk. Am Schluss des Songs folgten noch einmal fünf. Zehn Sekunden, über die man ewig sprechen würde – und zehn Sekunden, die ich live verpasste.
Ich stand mit den Four Tops und den Temptations im Backstage-Bereich und hatte keinen freien Blick auf die Bühne, aber als ich hörte, dass das Publikum ausflippte, rief ich: „Er hat sie gepackt … Mike hat sie gepackt!“ Unsere älteren Brüder sahen sich den Auftritt auf kleinen Monitoren an, und ich merkte an ihrer Reaktion, dass das siebte Kind unserer Familie gerade etwas ganz Besonderes getan hatte.
Michael ging unter langanhaltendem Beifall von der Bühne und war vermutlich der Einzige im ganzen Saal, der ein zweifelndes Gesicht machte. „Wie war’s? Hat’s geklappt?“, fragte er.
Marvin Gaye, die Temptations und Smokey Robinson sagten ihm, sie seien völlig überwältigt, und dann trat der Comedian Richard Pryor neben ihn. „Was war das denn? Das war ja der Wahnsinn – die beste Performance, die ich je gesehen habe!“ Michael wurde mit Lob und Superlativen überschüttet, und wir verloren ihn aus den Augen, als er von den vielen Menschen umringt wurde, die ihm gratulieren wollten. Mutter und Joseph waren irgendwo im Publikum, und unser Vater brüllte: „Der Junge hat allen die Show gestohlen! Jawohl, das hat er!“
Der „Billie Jean“-Auftritt war der beste, zu dem Michael jemals überredet worden war. Es war auch der beste, den ich je von ihm sah. Er gab dem Album Thriller enormen Auftrieb, und die Platte verkaufte sich nun noch besser, bis schließlich in der Woche eine Million Exemplare über die Ladentische gingen. Und bei all dem phänomenalen Erfolg und dem Reichtum, den ihm diese Platte brachte, war doch vor allem eines entscheidend: Michael kam mit Thriller tatsächlich ins Guinness-Buch der Rekorde . Thriller wurde zur bestverkauften Platte aller Zeiten, die sich schließlich weltweit mehr als 100 Millionen Mal verkaufte und ihm auch endlich den langersehnten Schwung Grammys einbrachte – er heimste rekordverdächtige acht dieser begehrten Preise ein. Der Junge, der früher einmal für einen Teller Kekse gesungen hatte, er hatte nun selbst die höchsten Erwartungen seines Vaters übertroffen, indem er zwei Rekorde aufstellte, die bis heute nicht erreicht, geschweige denn übertroffen wurden.
Michael wusste jedoch nicht, dass unter den Millionen Fernsehzuschauern auch eines seiner großen Idole war, der den Moonwalk zu Hause von seinem Sessel aus beobachtete. Er ahnte nicht, wie sehr sein Auftritt diesen Künstler bewegt hatte, bis am nächsten Tag in Hayvenhurst das Telefon klingelte. Und selbst da konnte er es kaum glauben, dass er wirklich Fred Astaire am anderen Ende der Leitung hörte. „Ich habe die Show gesehen und mir aufgenommen, und ich habe sie mir heute Morgen noch einmal angeguckt“, erklärte Fred. „Junge, du kannst dich wirklich bewegen. Denen hast du’s gestern richtig gezeigt!“
Dieser Anruf bedeutete Michael mehr als jeder Grammy. Dass Fred Astaire ihn bewunderte, das war für ihn das Größte, und auf unerwartete Weise hatte das Leben nun endlich das Versprechen erfüllt, das Joseph ihm damals gegeben hatte, damit er bei CBS unterschrieb. Vielleicht war es kein Abendessen mit seinem Star, aber es war viel wichtiger als das: Michael erhielt Lob von seinem großen Helden, und das besaß noch viel mehr Bedeutung.
Besonders schön ist an dieser Geschichte, dass Michael den legendären Schauspieler und Tänzer einige Wochen später tatsächlich traf. Fred Astaire streckte eine Handfläche aus und machte mit zwei Fingern der anderen Hand den Moonwalk nach, und Michael gab ihm daraufhin eine Kostprobe. Fred sagte meinem Bruder offenbar, er sei der beste Tänzer, den er je gesehen habe, aber die Warnung, die er ihm mit auf den Weg gab, blieb mir noch stärker im Gedächtnis: Er sagte Michael, dass die „Billie Jean“-Performance einen enormen Druck aufbaue und alle nun von ihm erwarten würden, dass er auf Zuruf sofort zu tanzen beginne. „Vergiss niemals, dass du kein Tanzäffchen bist – du bist ein Künstler. Du tanzt nur für einen, und das bist du selbst“, sagte er wohl. Michael speicherte diesen Rat wie immer in seinem Inneren ab.
Mutter bekam ihre Jacke übrigens nie zurück. Michael brauchte sie jetzt für die berühmte Tanzeinlage. Einige Jahre später schenkte
Weitere Kostenlose Bücher