Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

Titel: You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jermaine Jackson
Vom Netzwerk:
Positionen gearbeitet, und seine Wurzeln lagen ebenso wie bei Mutter in der Sklaverei, aber er hatte sich Respekt verdient , und daher erwartete er ihn auch von seiner Familie. Im Gegenzug war er sich der eigenen Verantwortung bewusst. Je mehr Kinder er hatte, desto mehr Überstunden machte er, um zusätzlich Geld zu verdienen. Als Michael geboren wurde, hatte er einen zweiten Job angenommen und übernahm noch ein paar Schichten in einer Konservenfabrik.
    Uns Kindern war bewusst, dass Geld immer knapp war. Unsere Eltern brachten zusammen um die 75 Dollar nach Hause. Sie waren zu stolz, um Sozialhilfe zu beantragen, und daher räumten Tito und ich beispielsweise im Winter den Schnee von den Einfahrten unserer Nachbarn, um zusätzlich Geld zu verdienen. Dass Joseph seine Lohntüte bekommen hatte, merkten wir immer daran, dass ein frischer Laib Brot und ein Päckchen Frühstücksfleisch auf der Arbeitsfläche in der Küche lagen. Mehr als einmal wurde Joseph jedoch auch entlassen und später wieder eingestellt. In der Zwischenzeit half er bei der Kartoffelernte. Wir wussten immer, wenn im Stahlwerk wieder einmal Schluss gewesen war, denn dann kamen nur Kartoffeln auf den Tisch – gebacken, gekocht, geröstet oder als Brei.
    Inland Steel war für Generationen von Familien die große Hoffnung. In Gary sagte man, dass man im Leben nur drei Möglichkeiten besaß: Fabrik, Knast oder Tod. Die letzten beiden bezogen sich auf die Gang-Kriminalität, die Schattenseite unserer Gemeinschaft. Doch ganz egal, welche der drei Möglichkeiten das Schicksal für uns vorgesehen hatte, Joseph war fest entschlossen, den Lauf der Dinge zu verändern. Jede Stunde, die er arbeitete, dachte er an nichts anderes. Unsere Flucht war auch die seine und die von Mutter.
    Joseph stammte aus einer Familie mit sechs Kindern, vier Jungen und zwei Mädchen. Er war der Älteste und stand besonders der Schwester nahe, die nach ihm zur Welt gekommen war, Verna Mae. Unsere Schwester Rebbie erinnere ihn sehr an sie, sagte er immer – pflichtbewusst, freundlich, eine richtige kleine Hausfrau, die trotz ihrer jungen Jahre schon sehr reif und erwachsen wirkte. Joseph fand es wundervoll, wie sich Verna Mae um den Haushalt und die anderen Kinder kümmerte, und seine liebste Erinnerung war, wie sie im Alter von sieben Jahren beim Licht einer Öllampe saß und den Brüdern Lawrence, Luther und Timothy eine Gutenachtgeschichte vorlas. Dann wurde sie krank, und Joseph konnte nichts tun, um ihr zu helfen. Die Ärzte fanden nicht einmal heraus, woran sie litt. Verna Mae selbst verbreitete noch vom Krankenbett aus Optimismus. „Alles ist gut. Ich werde wieder gesund.“ Aber Joseph musste von der Tür aus mit ansehen, wie es ihr immer schlechter ging, während die Erwachsenen um ihr Bett herumstanden. Dann starb sie. Joseph weinte tagelang und konnte diesen Verlust nie verwinden. Soweit ich das verstanden habe, war es das letzte Mal, dass er eine Träne vergoss: Er war elf Jahre alt.
    Als selbsternannte Weicheier fanden Michael und ich es immer schrecklich, dass unser Vater so hart war. Keiner von uns kann sich daran erinnern, dass er sich je Verletzlichkeit anmerken ließ. Wenn wir als Kinder weinten, auch, nachdem er uns gezüchtigt hatte, schimpfte er mit uns: „Wieso heult ihr denn?“
    Joseph verbrachte seine prägenden Jugendjahre damit, um seine Schwester zu trauern. Bei ihrer Beerdigung, als er hinter dem Pferdewagen mit dem Sarg herging, schwor er, dass er nie wieder ein Grab sehen wolle. Dieser große Verlust in seinem Leben schloss all seine Emotionen ein, und Joseph hielt Wort: Er ging nie wieder auf eine Beerdigung. Bis zum Jahr 2009.
    Während seiner Schulzeit hatte Joseph Angst vor einer Lehrerin. Er war besonders angehalten, Respekt vor den Lehrern zu haben, weil sein Vater Direktor der örtlichen High School war und an strenge Disziplin durch körperliche Züchtigung glaubte. Die furchteinflößende Frau machte Joseph offenbar so viel Angst, dass er schon zu zittern begann, wenn sie nur seinen Namen aufrief. Einmal, so wurde uns erzählt, sollte er vor die Klasse treten und vorlesen, was an der Tafel stand. Zwar wusste er genau, welche Worte es waren, aber die Angst verschlug ihm die Sprache. Die Lehrerin fragte ihn ein zweites Mal. Als er wieder keine Antwort gab, folgte die Strafe auf dem Fuße, in Form eines hölzernen Bretts, das er auf den nackten Hintern bekam. Das Ding hatte noch dazu Löcher, damit es bei jedem Schlag auch richtig zog.

Weitere Kostenlose Bücher