You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

meines Bruders erfuhr, zeigte er sich nicht sonderlich erfreut. Verletzter Stolz machte sich durch das Sprachrohr der Presse Luft, doch Yoko Ono meinte, es sei „ein Segen“, dass der wertvolle und prestigeträchtige Katalog in den Händen eines Menschen wie Michael liege. Wie auch bei vielen anderen Themen kommt es hier auf die jeweilige Perspektive an.
    Michael folgte den Spielregeln und machte das höchste Gebot. Wenn Paul McCartney die Rechte unbedingt hätte erwerben wollen, hätte er seine eigenen Ratschlägen befolgen müssen. Er tat es nicht und verlor. So ist das nun mal bei Geschäften. Wie auch viele andere Menschen unterschätzte er Michael. Wenn mich jemand, der es mit Michel aufnehmen wollte, um einen Rat gebeten hätte, hätte ich Folgendes gesagt: „Lass dich nicht von seinem kindlichen Habitus, der sanften Stimme oder den Schlagzeilen in den Zeitungen täuschen.“ Er war ein gewiefter und cleverer Geschäftsmann mit einer Vision, die weit in die Zukunft reichte. Die ATV-Library zusammen mit dem MIJA-Katalog (der seine eigene Musik und Songs von Ray Charles und Sly and the Family Stone beinhaltete) stellten das wohl größte Vermögen der gesamten Musikindustrie dar. Mit Hilfe des Rechtsanwalts John Branca hatte er Hollywood ausgestochen und konnte nun einer gesicherten Zukunft entgegensehen.
    Neun Jahre später fädelte John Branca auf einer anderen Ebene den nächsten Coup ein. Michaels Label Sony hatte Interesse an der Hälfte des ATV-Katalogs bekundet, der aber nicht verkäuflich war. Sony wollte ins Geschäft kommen, aber Michael wich nicht von seiner Position ab. Nun musste sich die Plattenfirma eine andere Strategie überlegen. Der Deal, der letztendlich ausgehandelt wurde, ermöglichte Michael eine noch bessere Kontrolle der Musikindustrie. Sony stimmte einem Vertrag zu, bei dem jede Seite die Hälfte ihres Katalogs zur Verfügung stellte. Somit entstand die Sony/ATV Music Publishing mit einem geschätzten Wert von einer Milliarde Dollar – die zukünftig noch eine erhebliche Rendite abwerfen sollte. Michael besaß nun die Verlagsrechte – 50 Prozent von ATV und 50 Prozent von Sony, also dem Label, das seine Musik vermarktete, und war somit ein einflussreicher und mächtiger Teilhaber, was zukünftige Entscheidungen anbelangte. Als noch beeindruckender empfand ich die Vertragsklausel, die Michael vor einer feindlichen Übernahme schützte. Wie er es selbst erklärte, war sein Teilbesitz für alle Ewigkeiten in Beton gegossen worden, und es gab weder für Sony noch für eine andere Partei eine Möglichkeit, ihm das streitig zu machen.
    Auf dem Papier sah das wie eine Hochzeit im Himmel aus.

    Ich wusste erst etwas über Michaels Eheprobleme, als Lisa Marie mit Mutter, Janet und Rebbie Krisentelefonate führte. Die Themen der Anrufe wurden mir vorenthalten, doch es war offensichtlich, dass die intensiven Gefühle zu Beginn der Liebe bei der sich abzeichnenden Trennung ins Gegenteil umgeschlagen waren.
    Kompromisse, die mit einer Ehe einhergehen, waren für Michael ein wesentlich schwierigeres Thema als gedacht. Ich hatte wirklich geglaubt, dass die Ehe Bestand haben werde, da die beiden wie füreinander geschaffen schienen. Wenn allerdings ein Problem auftauchte, musste einer der Partner nachgeben – doch keiner der beiden hatte das je gelernt. Michael kämpfte mit den Anforderungen des Ehelebens, und ich glaube, Lisa Marie war gezwungen, sich mit seinem Wunsch nach Isolation während des kreativen Prozesses auseinanderzusetzen. Ich vermute das nur, aber bei ihren persönlichen Erfahrungen war das offensichtlich. Als Kind erlebte sie einen Vater, der ständig auf Achse war, dauernd auftrat oder im Studio stand. Einen Ehepartner, der ein ähnliches Leben führte, war wohl das Letzte, was Lisa Marie brauchte. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum er ständig performte oder im Studio Songs aufnahm, und Michael verstand nicht, warum sie ein Problem damit hatte, dass er sich so lange im Studio aufhielt, ja sogar manchmal dort schlief. Als Lisa Marie seine Entscheidungen in Frage stellte, dachte Michael, dass sie klammere und ihn festhalten wolle, was natürlich nicht stimmte.
    Die meiste Zeit verbrachten die beiden in Lisa Maries Haus in Hidden Hills, im Norden von Los Angeles, doch es gab ein weiteres Problem, das die Ehe zusätzlich belastete. Michael hatte die Kinder unseres Onkels Lawrence, Josephs Bruder, unter seine Fittiche genommen. In dessen Familie gab es Probleme, und Michael