You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
befanden uns auf einem Langstreckenflug mitten über dem Atlantik, auf dem Weg zu unserer ersten Europa-Tournee mit Konzerten in Frankreich, Deutschland, Italien, Holland und Spanien. London war unsere erste Station.
„Er sagte, am Flughafen Heathrow warten zehntausend Fans“, erklärte Joseph.
Bei unserer Ankunft konnten wir nur staunen, welches Ausmaß die Unternehmung Jackson 5 allmählich angenommen hatte. Wir schienen in einer Sache drinzustecken, die sich ständig zu etwas noch Größerem entwickelte: Vom Chitlin’ Circuit zu Motown, von Motown zum Umzug nach Hollywood, von einem Plattenvertrag zu vier aufeinanderfolgenden Nummer-1-Hits, von der Eroberung Amerikas zu Plattenverkäufen auf anderen Kontinenten. Wir mussten uns immer wieder kneifen, um uns bewusst zu machen, dass unsere Platten wirklich in diesen so weit entfernten Ländern zu haben waren, zu denen unser Flugzeug nun unterwegs war.
London stellte dabei alles bisher Dagewesene in den Schatten: Wir sollten bei der Royal Variety Show im London Palladium vor Königin Elisabeth II. auftreten. Uns allen war klar, was das für eine große Ehre war – allen, außer unserem Drummer Johnny. Er war bekannt für seine scharfe Zunge und Sprüche, die manchmal aber auch ein wenig unverschämt wirken konnten, und wie wir schon bald feststellen sollten, war es keine gute Idee, einen britischen Zollbeamten zum Besten halten zu wollen. Als wir unsere Pässe vorzeigten, erklärte Suzanne de Passe höflich, dass wir ins Land reisten, um als Gäste der Königin bei einer Sonderveranstaltung aufzutreten. Wir alle wurden daraufhin gefragt, wie lange wir vorhatten zu bleiben, und wir alle gaben höflich Antwort. Dann kam Johnny an die Reihe. „Und wie lange beabsichtigen Sie, sich in England aufzuhalten, junger Mann?“, erkundigte sich ein streng wirkender Zollbeamter. Als ich sah, wie Johnny zu grinsen begann, wusste ich schon, dass es Ärger geben würde.
„Na, so lange, wie wir brauchen, um eure Königin zu ficken“, erklärte er.
Für einen Augenblick stand die ganze Welt still. Es war nicht nur die Dreistigkeit, die uns schockierte, sondern überhaupt die Tatsache, dass jemand von den Jackson 5 ein solches Wort in den Mund genommen hatte. Es war, als hätte man einen Pastor an einem Sonntag fluchen hören. Tja, und das war’s. Die Beamten entfesselten erst einmal die typische Bürokratenhölle, und der ungehaltene Zöllner war fest entschlossen, Johnny mit dem nächsten Flieger zurück nach Hause zu schicken. Die Erwachsenen scharten sich um den Schalter der Passkontrolle, während wir Johnny mit bösen Blicken bedachten und Dinge sagten, die seinem Kommentar über die Königin in nichts nachstanden. Irgendwie gelang es Suzanne de Passe und Joseph in einer gemeinschaftlichen diplomatischen Anstrengung, den Zöllner zu beschwichtigen, aber Johnny bekam anschließend einen richtigen Einlauf. „Diese Dummheit hat uns beinahe den ganzen Auftritt gekostet!“, schäumte Suzanne.
So aber konnten wir die königliche Vorstellung wie geplant mit einem zehnminütigen Auftritt eröffnen, bei dem wir unter anderem „Rockin’ Robin“ präsentierten, unsere neueste Single. Nach uns spielten Elton John, Liberace, Carol Channing und noch einige Künstler, von denen wir bisher noch nie etwas gehört hatten: Rod Hull und sein Emu (ein Komiker, der mit einer blaugefiederten Emu-Attrappe auftrat), Arthur Askey, Danny La Rue und Ken Dodd mit seinen „Diddymen“. Elton John kam zu uns hinter die Bühne und wünschte uns alles Gute. Wir kannten ihn noch aus der Zeit, als er – unter anderem Namen – Keyboarder bei Major Lance gewesen war. Nun war es sein schriller Kleidungsstil, der an diesem Abend die höchsten Wellen schlug: Er trug unglaublich abgefahrene Sonnenbrillen und grellbunte ausgefallene Kostüme mit großen Knöpfen und allem möglichen Glitzerkram. Als wir sahen, wie seine Roadies die Kisten mit seiner Garderobe hinter die Bühne schleppten und wenig später die noch umfangreichere Ausstattung von Liberace folgte, kam uns unser eigener Look im Vergleich schlicht und langweilig vor – und das wollte etwas heißen.
Nachdem wir der Königin dreistimmig den Fan-Song „We Thank You For The Joy You Have Given Us“ präsentiert hatten, wurden wir Ihrer Majestät hinter der Bühne vorgestellt. Michael sagte noch lange Jahre danach, es sei einer der großartigsten Abende seines Lebens gewesen, und das war er vermutlich auch, bis zu seinem Treffen mit
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