You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

goldener Schrift an die kaffeebraunen Wände seines Tonstudios in Hayvenhurst malen. Rose Fine öffnete seinem Verstand Türen. „Ich wäre nicht so geworden, wie ich heute bin, wenn es sie nicht gegeben hätte“, sagte Michael später. Und sein Abschlusszeugnis wäre wahrscheinlich auch nicht so gut gewesen.
    Ende 1972 wurde die Walton School geschlossen. Michael kam deshalb in die neunte Klasse der Montclair School in Van Nuys, wo er im Juni ein Zeugnis ausgestellt bekam, auf das er so stolz war, dass er es zu Hause aufhängte. In Geschichte, Englischer Grammatik und Mathematik hatte er eine glatte Eins, in Französisch eine Zwei minus und in Englisch eine Zwei plus, die sein Lehrer zudem mit dem Kommentar versehen hatte: „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so sehr angestrengt hat.“ Auch für sein Verhalten im Unterricht und seine Mitarbeit wurde er gelobt. Nicht schlecht für einen Schüler, der einigen Biografen zufolge „furchtbar schlecht in der Schule“ war und „keine Ahnung hatte, was da eigentlich vor sich ging“ …
    Eine seiner aufschlussreichsten Schularbeiten lieferte Michael im Kunstunterricht noch an der Walton School ab. Er hatte Rose sehr oft nach dem Vietnamkrieg gefragt, und wenn er in Zeitungen Fotos von verwundeten oder schreienden Kindern sah, dann ging ihm das stets sehr unter die Haut. Seine Interpretation des Gesehenen ließ er in eine Zeichnung einfließen. Ich hatte dieses Bild vergessen, bis es als Auszug aus dem Jahrbuch der Schule im Internet auftauchte. Vor dem Hintergrund einer Schlacht und einem Himmel voller Kampfflugzeuge hatte Michael einen Soldaten gezeichnet, der wehrlos mit ausgestreckten Armen dastand und den Lauf seiner Maschinenpistole in den Himmel richtete. Darüber stand: Stoppt den Krieg. Der gleiche humanitäre Geist prägte später seine Stiftung Heal The World und auch seinen großen Hit „Earth Song“, in dessen Video er mit ausgestreckten Armen einem Panzer den Weg versperrte. Bilder wie dieses zeigen, dass er bereits als Jugendlicher so dachte und sehr sensibel war.
    Michael beendete die Schule an der Cal Prep, wo er im Kunstunterricht eine ganze Reihe von Skizzen von Charlie Chaplin anfertigte. Lori Shapiro, ein Mädchen aus seiner Klasse, sah meinem Bruder still dabei zu, wie er ganz versunken dasaß und zeichnete, aber dann jedes Blatt unzufrieden zusammenknüllte. „Michael“, fragte sie ihn schließlich, „sag mal, kann ich diese Zeichnung von Charlie Chaplin haben, bevor du sie wegwirfst?“
    „Na klar“, sagt er und schrieb mit schwarzem Filzstift seinen Namen in eine Ecke, bevor er ihr das Blatt gab.
    Michael wusste allerdings, dass kleine Gefälligkeiten auch zu Gegenleistungen verpflichten. Er hasste Algebra, während Lori ein ziemlicher Schlaukopf war. Da die beiden nahe beieinander saßen, tauschten sie ihre Hefte, wenn der Lehrer einmal nicht hinsah, und sie rechnete die x+y-Gleichungen für ihn aus. Vermutlich war Lori der Hauptgrund dafür, dass er eine Eins in Mathe bekam!
    Zum Schulabschluss veröffentlichte die Cal Prep eine eigene Bestenliste, in der die Schüler die Gewinner der verschiedensten Kategorien festlegten. Michael siegte als am besten angezogener, schüchternster, kreativster und künstlerisch begabtester Schüler, von dem außerdem am ehesten erwartet wurde, dass er große Dinge vollbrachte. Und wer bekam den Preis für das schönste Lächeln? Diese Ehre blieb Marlon vorbehalten.
    Michael sprach mit Rose viel über Gott. Er war der Einzige von uns Jungen, der noch immer in den Königreichsaal ging und mit Mutter, La Toya und Janet von Tür zu Tür den Glauben verkündete, wann immer unser Tournee-Plan es zuließ. Aber ihn faszinierten verschiedene Glaubensrichtungen und die Beziehung, die andere Menschen zu Gott hatten, und Rose war Jüdin. Michael erfuhr, dass es beim jüdischen Sabbat um die Familie ging und dass an diesem Tag alles stillstand, damit „die Menschheit das Normale ungewöhnlich und das Natürliche wunderbar werden lassen kann“, wie er 2000 in einem Aufsatz für die Webseite „beliefnet“ schrieb. Michael fand die Idee großartig, dass es einen festen Tag in der Woche gab, an dem man das Leben und sich gegenseitig feiern konnte. Aber diese Vorstellung bedeutete schließlich noch viel mehr für ihn: „In meiner Welt war der Sabbat der Tag, an dem ich von meinem einmaligen Leben einen Schritt zurücktreten und das Alltägliche erblicken konnte.“
    Michael fixierte sich immer stärker